In seinen Schlussanträgen hat der Generalanwalt beim EuGH ausgeführt, dass der Betreiber einer Online-Handelsplattform wie Amazon nicht dazu verpflichtet ist, dem Verbraucher eine Telefonnummer zur Verfügung zu stellen. Vielmehr kann das Unternehmen frei entscheiden, welche Möglichkeiten der Kontaktaufnahme es dem Verbraucher zur Verfügung stellt (EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts v. 28.02.2019, Rs. C-649/17).
Zum Sachverhalt
Ein verbraucherschützender Verein hatte gegen die Online-Plattform Amazon geklagt, da er der Ansicht war, dass die Beklagte die Verbraucher nur unzureichend über ihre Telefon- und Telefaxnummer informiere. Auf der Plattform des Beklagten konnte der Nutzer unter den Auswahloptionen „E-Mail (Schicken Sie uns eine E-Mail)“, „Telefon (Rufen Sie uns an)“ und „Chat (Einen Chat beginnen)“ wählen, wobei eine Faxnummer nicht angegeben war. Wurde die als Link ausgebildete Schaltfläche „Rufen Sie uns an“ angeklickt, öffnete sich eine weitere Internetseite, auf der der Nutzer die Möglichkeit erhielt, seine Telefonnummer anzugeben und sich anrufen zu lassen („Jetzt anrufen“ und „In 5 Minuten anrufen“). Auf derselben Seite befand sich außerdem der Hinweis: „Wenn Sie es vorziehen, können Sie auch unsere allgemeine Hilfenummer anrufen“. Bei dem Klick hierauf wurde dem Besteller empfohlen, sich anrufen zu lassen und falls er selber anrufen wolle, wurde ihm erläutert, dass er eine Reihe von Fragen zur Überprüfung seiner Identität beantworten müsse. Am Ende dieses Textes folgten verschiedene Rufnummern der Beklagten. Der Kläger war der Ansicht, dass die Beklagte die Verbraucher nur unzureichend über ihre Telefon- und Telefaxnummer informiere und der Rückrufservice nicht ausreiche, um die gesetzlichen Informationspflichten zu erfüllen. Die Eingangsinstanzen entschieden zugunsten der Beklagten, der Bundesgerichtshof setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH verschiedene Fragen zur Vorabentscheidung vor, zu denen der Generalanwalt nun Stellung nahm.
Die Ausführungen des Generalanwalts
Nach Ansicht des Generalanwalts könne eine Online-Plattform nicht verpflichtet werden, dem Verbraucher eine Telefonnummer zur Verfügung zu stellen. Es komme vielmehr darauf an, dass der Verbraucher mit dem Unternehmer schnell Kontakt aufnehmen und effizient mit ihm kommunizieren könne. Diese Informationen müssten in klarer und verständlicher Weise erteilt werden. Daher könne der Unternehmer frei wählen, welche Mittel er für den Kontakt mit dem Verbraucher bereitstellen wolle.
Ziel der Verbraucherrechte-Richtlinie (2011/83/EU) sei es, das höchste Schutzniveau für den Verbraucher zu gewährleisten, ohne dabei jedoch in die Gestaltungsfreiheit des Unternehmers stärker einzugreifen, als es zur Erreichung dieses Zwecks unbedingt erforderlich sei. Der Ausdruck „gegebenenfalls“ im Richtlinien-Text in Bezug auf die Kommunikationswege zwischen Unternehmer und Kunden (Telefon, Telefax, E-Mail) sei so zu verstehen, dass der Unternehmer nicht dazu verpflichtet sei, einen Telefon- oder Faxanschluss bzw. ein E Mail-Konto neu einzurichten, wenn er sich zum Abschluss von Fernabsatzverträgen entschließe. Denn nicht alles, was in einem bestimmten Zusammenhang existiere oder vorhanden sei, stehe jedem zur Verfügung, der es nutzen wolle. Auch wenn das Unternehmen einen Telefonanschluss besitze, müsse es diesen nicht zwangsläufig für die Kommunikation mit dem Verbraucher zur Verfügung stellen, solange die Erfüllung der in der Richtlinie genannten Ziele gewährleistet sei.
Weiterführende Informationen
24.05.2018 // Pressemitteilung des EuGH in dieser Sache>>
Entscheidung der Vorinstanzen im Angebot der Wettbewerbszentrale (Login erforderlich)
BGH, Beschluss v. 05.10.2017, Az. I ZR 163/16 – Rückrufsystem >>
OLG Köln (Urteil v. 08.07.2016, Az. 6 U 180/15 >>
fw
Weitere aktuelle Nachrichten
-
OLG Frankfurt a. M. untersagt „Anti-Kater“-Werbung für Mineralstofftabletten
-
Rückblick: Konferenz „Wettbewerb, Nachhaltigkeit & Recht“
-
Rückblick: „Jura in der Praxis“ der Julius-Maximilians-Universität Würzburg
-
Rückblick: Internationaler Kongress der Liga in London
-
Landgericht Mainz zur Assoziation von „After Party Shots“ mit einem Alkoholkater