Die Hersteller vor allem hochwertiger und preisintensiver Markenprodukte sehen sich vielfach mit dem Umstand konfrontiert, dass ihre Produkte zu erheblich herab gesetzten Preise über das Internet verkauft und dort teilweise auch „verramscht“ werden. Die Industrie sucht daher nach Wegen, dieses Gebaren zu unterbinden und greift dazu auch zu dem Mittel, den Internetvertrieb auszuschließen. Dem sind jedoch rechtlich enge Grenzen gesetzt, wie ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zeigt, in dem der Generalanwalt seinen Schlussantrag vorgelegt hat.
Ein französischer Hersteller von Kosmetika und Körperpflegeprodukten verschiedener Marken vertreibt die Waren in einem selektiven Vertriebssystem. In den Vertriebsverträgen mit den Händlern hat er festgelegt, dass der Verkauf in Räumlichkeiten und in Anwesenheit eines diplomierten Pharmazeuten erfolgen müsse. Damit waren de facto sämtliche Verkaufsformen über das Internet ausgeschlossen.
Der Generalanwalt beim EuGH, der das Verfahren vorbereitet, hält ein allgemeines und absolutes Verbot, Produkte über das Internet an Endbenutzer zu verkaufen, für nicht vereinbar mit Art. 81 Abs. 1 EG-Vertrag (heute: Art. 101 Abs. 1 AEUV), da eine derartige Vereinbarung die Einschränkung des Wettbewerbs bezwecke. Eine Freistellung nach Art. 4 lit. c) der Gruppenfreistellungsverordnung für Vertikal-Vereinbarungen komme nicht in betracht. Nach dieser Vorschrift ist eine Freistellung vom Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen nicht möglich, wenn auf der Einzelhandelsstufe tätigen Mitgliedern eines selektiven Vertriebssystems der aktive oder passive Verkauf an Endverbraucher untersagt wird. Dies geschehe jedoch, so der Generalanwalt, wenn innerhalb eines selektiven Vertriebssystems der Internet-Handel allgemein und absolut ausgeschlossen ist.
Der Generalanwalt hält es jedoch für möglich, dass im Einzelfall der Ausschluss des Internetvertriebs nach Art. 81 Abs. 3 EG-Vertrag (heute: Art. 101 Abs. 3 AEUV) gerechtfertigt sein kann. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Beschränkung des Wettbewerbs durch den Ausschluss des Internet-Handels eine Verbesserung der Warenerzeugung oder Warenverteilung unter angemessener Beteiligung der Verbraucher an dem entstehenden Gewinn mit sich bringt. Das bedarf einer Entscheidung im jeweiligen Einzelfall.
Die rechtliche Beurteilung durch den Generalanwalt hat eine starke Indizwirkung für die Entscheidung des EuGH. Es muss daher damit gerechnet werden, dass der EuGH den vollständigen Ausschluss des Internet-Handels im Rahmen eines selektiven Vertriebssystems für unzulässig erachtet. Mit einer Entscheidung des Gerichtshofs ist noch in diesem Jahr zu rechnen.
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