Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat heute entschieden, dass die Vorschriften der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 06. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel einen abschließenden Höchststandard für Arzneimittelwerbung darstellen. Dieser darf von den Mitgliedsstaaten nicht überschritten werden, es sei denn, dass die Richtlinie sie ausdrücklich hierzu ermächtigt. Nationale Vorschriften wie § 11 Abs. 1 Nr. 11 und Nr. 13 Heilmittelwerbegesetz (HWG) sind im Sinne der Richtlinie auszulegen.
Zum Fall:
Das beklagte Unternehmen vertreibt Ginseng-Präparate. Für diese Arzneimittel warb es in Werbeschreiben mit der Auswertung einer Konsumenten-Befragung. Grundlage dieser Konsumenten-Befragung war eine Meinungsumfrage bei Kunden. Die Fragen betrafen die Anwendungsintensität, die Medikationsdauer und Kundentreue sowie den Grund der Einnahme des roten Ginseng. Nach der Gesamtbeurteilung war die Hälfte aller Kunden „sehr zufrieden“ mit dem Produkt und ein weiteres Drittel beurteilte das Produkt mit „gut“. Nur 2 % gaben an, keine Besserung verspürt zu haben. Außerdem warb das Unternehmen mit einer monatlichen Verlosung einer Packung Roter Imperial Ginseng.
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main sah in der „Auswertung Konsumenten-Befragung“ einen Verstoß gegen § 11 Abs. 1 Nr. 11 HWG, da die Angaben Hinweise auf Äußerungen Dritter im Sinne der genannten Vorschrift seien. Die Auslobung einer Packung Ginseng-Extraktpulver verstieß nach Ansicht des Senats gegen § 11 Abs. 1 Nr. 13 HWG, wonach für Arzneimittel nicht mit Preisausschreiben, Verlosungen oder anderen Verfahren, deren Ergebnis vom Zufall abhängig ist, geworben werden darf (OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 7. März 2002, Az. 6 U 43/01). Die Gegenseite legte Revision gegen dieses Urteil beim Bundesgerichtshof (BGH) ein. Dieser hat das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH drei Vorlagefragen gestellt.
Der EuGH hat nun entschieden, dass die Richtlinie 2001/83/EG einen abschließenden Höchststandard für die Arzneimittelwerbung darstellt. Mit dieser Richtlinie sei eine vollständige Harmonisierung des Bereichs der Arzneimittelwerbung erfolgt. § 11 Abs. 1 Nr. 11 HWG muss deshalb im Sinne des Artikel 90 lit. c und j der Richtlinie ausgelegt werden. Danach darf Öffentlichkeitswerbung für ein Arzneimittel keine Elemente enthalten, die sich in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise auf Genesungsbescheinigungen beziehen. „Dies wäre insbesondere dann der Fall, wenn die heilenden Wirkungen dieser Arzneimittel übertrieben dargestellt würden, so dass zu ihrem Verbrauch angeregt werden könnte, oder so, dass Angst vor den Folgen ihrer Nichtverwendung geweckt werden könnte, oder auch, wenn ihnen Merkmale zugesprochen würden, die sie nicht besitzen, und der Verbraucher dadurch in Bezug auf ihre Wirkweise und ihre therapeutischen Wirkungen in die Irre geführt würde.“, so der EuGH. Nach Art. 90 lit. c der Richtlinie darf die Öffentlichkeitswerbung für Arzneimittel keine Elemente enthalten, die nahelegen, dass die normale gute Gesundheit des Patienten durch die Verwendung des Arzneimittels verbessert werden könnte.
Zu Verlosungen enthält die Richtlinie keine ausdrücklichen Vorgaben. Der EuGH vertritt die Ansicht, dass sich die Verlosung an Artikel 87 Abs. 3 der Richtlinie messen lassen müsse, die einen unzweckmäßigen Einsatz von Arzneimitteln verhindern will. Außerdem untersage Artikel 88 Abs. 6 der Richtlinie die direkte und kostenlose Abgabe von Medikamenten zum Zweck der Verkaufsförderung. Die Vorschriften lassen es deshalb nach Ansicht des EuGH nicht zu, dass ein Medikament im Internet mit einer monatlichen Auslosung eines Preises, der aus einer Packung dieses Medikaments besteht, beworben wird.
Die aktuelle Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs führt im Ergebnis zu einer einschränkenden Auslegung der Vorschriften des Heilmittelwerbegesetzes. Insbesondere der Verbotskatalog des § 11 HWG wird künftig richtlinienkonform ausgelegt werden müssen.
Quelle:
Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 8.11.2007, Rechtssache C 374/05
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