Die Gewährung von Prämien seitens einer Gesundheitsbehörde an Ärzte ist unzulässig, wenn damit der Arzt zu einem bestimmten Verschreibungsverhalten veranlasst werden soll. Diese Auffassung vertritt der Generalanwalt Nilo Jääskinen in seinen Schlussanträgen vom 11. Februar 2010 (Rechtssache C 62/09.
Der High Court of Justice hatte dem EuGH ein Vorabentscheidungsersuchen vorgelegt, das die Auslegung von Artikel 94 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments (Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel) betrifft. Nach dieser Vorschrift ist die Verkaufsförderung für Arzneimittel bei den zu ihrer Verschreibung berechtigten Personen durch Gewährung von Prämien oder finanziellen oder materiellen Vorteilen verboten, es sei denn, sie sind von geringem Wert und für die medizinische Praxis von Belang. Die Vorlagefrage beruht auf der Praxis der so genannten Primary Care Trusts (PCTs), regionalen Gesundheitsbehörden, die in England die Kosten für medizinische Leistungen tragen. Um die Gesamtkosten für Arzneimittel zu senken, haben die PCTs finanzielle Anreize geschaffen, um Ärzte zu einer bestimmten Verschreibungspraxis zu bewegen. Ärzte sollen bei Neuverschreibungen bestimmte, konkret genannte Arzneimittel bevorzugen oder bereits eingestellte Patienten auf diese Arzneimittel umstellen.
Der Generalanwalt führt in seinen Schlussanträgen aus, dass das Ziel einer Kostensenkung im Gesundheitswesen an sich legitim sei. Ebenso verstoße ein Arzt nicht gegen die ärztliche Ethik, wenn er bei der Auswahl der zu verschreibenden Medikamente auf den Preis eines Arzneimittels achte. Eine Auslegung des Artikels 94 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 ergebe allerdings, dass die von den PCTs gesetzten finanziellen Anreize mit dem Zweck der Norm nicht vereinbar seien. Denn diese wolle gerade die Unabhängigkeit und Objektivität der Verschreibungsentscheidung des Arztes und damit den Schutz des Arzt-Patienten-Verhältnisses wahren. Der Generalanwalt kommt zu dem Schluss, dass Artikel 94 Abs.1 auch auf behördliche Aktivitäten anwendbar ist.
Die Richter am Europäischen Gerichtshof sind an den Schlussantrag des Generalanwalts nicht gebunden, folgen aber ganz überwiegend seiner Auffassung.
Auch für Deutschland ist die Entscheidung von Bedeutung. Bei der Wettbewerbszentrale betreffen zahlreiche Beschwerden und Anfragen im Arztbereich Maßnahmen, mit denen das Verschreibungsverhalten des Arztes manipuliert werden soll. Nach § 7 Heilmittelwerbegesetz ist es Angehörigen der Fachkreise aber grundsätzlich verboten, Zuwendungen anzunehmen. Ebenso ist es Ärzten nach den jeweiligen Berufsordnungen nicht gestattet, für eine Verordnung von Arzneimitteln eine Vergütung oder andere Vorteile anzunehmen (siehe etwa § 34 der Musterberufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte).
Weiterführende Hinweise:
Schlussanträge vom 11. Februar 2010 in der Rechtssache C 62/09 >> (Bitte auf der Seite des Gerichtshofs auf das Az. C 62/09 klicken.)
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