Auf die Vertragsverletzungsklage der Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) heute entschieden, dass die Einstufung von Knoblauchkapseln als Arzneimittel eine nicht gerechtfertigte Beschränkung des freien Warenverkehrs darstellt.
Dem Fall lag die Beschwerde eines Unternehmens zugrunde, dessen Antrag nach § 47 a Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz (LMGB) (Anmerkung: nunmehr abgelöst durch das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch – LFGB) auf Erteilung einer Allgemeinverfügung zur Einfuhr und zum Vertrieb eines Knoblauchpräparats in Kapselform vom Bundesgesundheitsministerium mit der Begründung abgelehnt wurde, dass es sich bei dem Produkt nicht um ein Lebensmittel, sondern um ein Arzneimittel handele. Die Kommission leitete deshalb ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland ein. Sie beantragte in ihrer Klageschrift die Feststellung, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 28 EG und 30 EG verstoßen habe, dass sie ein Knoblauchpräparat, dass in Kapseln abgefüllt sei und nicht unter die Definition des Arzneimittels gemäß Artikel 1 Nr. 2 der Richtlinie 2001/83 falle, als Arzneimittel einstufe.
Die Bundesrepublik Deutschland stufte das Knoblauchpräparat als Arzneimittel „nach der Funktion“ ein. Sie verwies auf die pharmakologischen Eigenschaften des Produktes, auf die gesundheitlichen Risiken bei dessen Einnahme, auf den Vertrieb in Kapselform und auf zahlreiche, in Deutschland auf dem Markt befindliche Produkte mit Wirkstoffen wie Knoblauchzwiebelpulver, die allesamt als Arzneimittel eingestuft seien.
Der Europäische Gerichtshof gelangte zu einer anderen Einschätzung. Er stellt zunächst fest, dass im Zuge einer Harmonisierung die Definition des „Arzneimittels“ in Artikel 1 Nr. 2 der Richtlinie 2001/83 als abschließend zu betrachten sei. Dies habe zur Folge, dass die Mitgliedsstaaten bei der Einstufung von Arzneimitteln an diese Definition gebunden seien, auch wenn das Erzeugnis in den Anwendungsbereich einer anderen, weniger strengen Gemeinschaftsregelung falle.
Nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs liegt weder ein Arzneimittel nach der Bezeichnung noch ein solches nach der Funktion vor:
Bei der Frage, ob ein Arzneimittel nach der Bezeichnung vorliege, sei auf die für den Verbraucher erkennbare Zweckbestimmung durch den Hersteller abzustellen. Anders als die Bundesregierung annimmt, spricht dabei die Kapselform, in der das Knoblauchpräparat vertrieben wird, nicht für die Einstufung als Arzneimittel.
Das Gericht stellte zudem fest, dass mangels wissenschaftlich feststellbarer pharmakologischer Eigenschaften auch kein Funktionsarzneimittel vorliege. Allein die Tatsache, dass das streitgegenständliche Erzeugnis eine gesundheitsfördernde Wirkung hat, reichte den Richtern nicht aus, um diese pharmakologische Wirkung zu bejahen. Der EuGH kommt damit zu dem Schluss, dass mit den Knoblauchpräparaten ein Erzeugnis vorliegt, das nicht unter die gemeinschaftsrechtliche Definition des Arzneimittels gemäß Artikel 1 Nr. 2 der Richtlinie 2001/83 fällt.
Das Verbot der Einfuhr der Knoblauchkapseln stelle weiter eine ungerechtfertigte Einschränkung der Warenverkehrsfreiheit dar. Denn eine Beschränkung des Warenverkehrs nach Art. 30 EG aus Gründen des Gesundheitsschutzes scheide aus. Der bloß pauschale Verweis der deutschen Regierung auf eventuelle Gesundheitsrisiken, die sich aus dem Verzehr von Knoblauch unter sehr spezifischen Lebensumständen ergeben können, sei nicht hinreichend, um eine derart einschneidende Maßnahme wie die Versagung des Marktzugangs zu rechtfertigen.
Quelle:
Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 15.11.2007, Rechtssache C 319/05 >>
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