In einem aktuellen Urteil (Urteil des Gerichtshofs v. 03.09.2009, Rechtssache C 489/07) kommt der EuGH zu dem Ergebnis, dass ein Verbraucher, der einen Fernabsatzvertrag widerrufen hat, nicht generell zur Zahlung von Wertersatz für die Nutzung einer Ware verpflichtet werden darf. Dies ist mit den Zielen der Richtlinie über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (FernabsatzRL) 97/7/EG nicht vereinbar. Nach der FernabsatzRL sind die einzigen Kosten, die dem Verbraucher infolge der Ausübung seines Widerrufsrechts auferlegt werden können, die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren. Dieses Recht ist „mehr als ein bloß formales Recht“. Wäre dieses Recht nämlich mit negativen Kostenfolgen verbunden, könnte dies den Verbraucher davon abhalten, von diesem Recht Gebrauch zu machen. Mit dem Widerrufsrecht soll der besonderen Situation Rechnung getragen werden, dass der Verbraucher vor dem Vertragschluss keine Möglichkeit hat, die Ware zu sehen. Das Widerrufsrecht soll genau diesen Nachteil ausgleichen, indem dem Käufer eine angemessene Bedenkzeit eingeräumt wird, in der er die Möglichkeit hat, die gekaufte Ware zu prüfen und auszuprobieren.
Im vorliegenden Fall hatte die Käuferin eines Notebooks (Kaufpreis: € 278,-) nach acht Monaten den Vertrag widerrufen. Der Widerruf war fristgerecht, da der Verkäufer nicht über das Widerrufsrecht belehrt hatte. Da der Verkäufer der Käuferin den Kaufpreis nicht erstattet hat, hat sie Klage vor dem Amtsgericht Lahr auf Rückzahlung des Kaufpreises erhoben.
Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) ist der Käufer in einem solchen Fall zur Erstattung eines Wertersatzes für die Nutzung der Ware verpflichtet. Der durchschnittliche Mietpreis für ein Notebook für diese Zeit liegt nach Ansicht des Verkäufers bei 316,80 Euro.
Aufgrund dieses Ergebnisses hat das zuständige Amtsgericht, dem EuGH die Vorlagefrage gestellt, ob die FernabsatzRL dieser nationalen Regelung entgegensteht, nach der der Verkäufer im Fall eines Widerrufs, vom Verbraucher für die Nutzung einer Ware, Wertersatz verlangen kann.
Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, dass die generelle Auferlegung eines Wertersatzes für die Nutzung der gekauften Ware mit den Zielen der FernabsatzRL unvereinbar ist. Müsste der Verbraucher einen so hohen Wertersatz leisten würde er vielleicht aus diesem Grund den Vertrag nicht widerrufen und damit wäre das Ziel der FernabsatzRL verfehlt.
Allerdings soll der Verbraucher im Falle eines Widerrufs auch nicht mehr Rechte erhalten als ihm zustehen. Es ist daher mit der FernabsatzRL vereinbar, wenn der Verbraucher einen angemessenen Wertersatz zu zahlen hat, sofern er die gekaufte Ware auf eine mit den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts wie denen von Treu und Glauben oder der ungerechtfertigten Bereicherung unvereinbare Art und Weise benutzt hat. Ob dies der Fall ist, muss das nationale Gericht entscheiden.
Pressemitteilung des EuGH zur Rechtssache C 489/07 >>
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