Der EuGH hat auf eine Vorlagefrage des BGH (Beschluss vom 26.02.2014, Az. I ZR 45/13), entschieden, dass es irreführend sein kann, wenn die Etikettierung und Aufmachung eines Lebensmittels durch das Aussehen, die Bezeichnung oder die bildliche Darstellung einer bestimmten Zutat den Eindruck des Vorhandenseins dieser Zutat in dem Lebensmittel erwecken, obwohl die betreffende Zutat darin tatsächlich nicht vorhanden ist und sich dies allein aus dem Verzeichnis der Zutaten auf der Verpackung des Lebensmittels ergibt ( EuGH, Urteil vom 04.06.2015, Rs. C-195/14 >> ).
Ein Kindertee mit dem Namen „Felix Himbeer-Vanille Abenteuer“ war vom Kläger als irreführend beanstandet worden, weil jener auf den Schauseiten der Verpackung neben einem bekannten Kinderbuchhasen die Abbildung von Himbeeren und Vanilleblüten zeigte. Zudem befanden sich darauf die Hinweise „nur natürliche Zutaten“ und „Früchtetee mit natürlichen Aromen“. Während der Name des Produkts und die Abbildungen der Himbeeren und Vanilleblüten „ins Auge sprangen“, war der Hinweis auf die „natürlichen Aromen“ eher zurückhaltend. Laut Zutatenverzeichnis setzte sich der Tee aus Hibiskus, Äpfeln, süße Brombeerblätter, Orangenschalen, Hagebutten, natürliches Aroma mit Vanillegeschmack, Zitronenschalen, natürliches Aroma mit Himbeergeschmack, Brombeeren, Erdbeeren, Heidelbeeren, Holunderbeeren zusammen. Der Tee enthielt damit keine Bestandteile aus Himbeeren oder Vanille.
Der EuGH hatte zuvor wiederholt entschieden, dass der Verbraucher, der seine Kaufentscheidung nach der Zusammensetzung des Erzeugnisses richte, zunächst das gesetzlich vorgeschriebene Verzeichnis der Zutaten lese (EuGH Urteil vom 26.10.1995, Az. C-51/94 – Sauce Hollandaise, EuGH Urteil vom 04.04.2000, Az. C-465/98 D’Arbo). Das Zutatenverzeichnis könne allerdings für sich alleine nicht ausschließen, dass die Etikettierung des Erzeugnisses und die Art und Weise in der sie erfolgt, geeignet sein könnten, den Käufer irrezuführen, urteilte er nun. Die Etikettierung umfasse alle Angaben, Kennzeichnungen, Hersteller- oder Handelsmarken, Abbildungen oder Zeichen, die sich auf ein Lebensmittel beziehen und auf dessen Verpackung angebracht sind. Seien verschiedene Elemente widersprüchlich, mehrdeutig, falsch oder unverständlich, könne auch ein gesetzeskonformes Zutatenverzeichnis nicht geeignet sein, den missverständlichen Eindruck – der sich aus anderen Elementen der Etikettierung ergibt – des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers, zu berichtigen.
Der EuGH hat vorliegend zu dem bis zum 13.12.2014 geltenden § 11 Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) und dem zugrundeliegenden Art. 2 Abs. 1 Lit. a Ziff. i der Rahmenrichtlinie 2000/13/EG entschieden. Die Entscheidung ist allerdings auf die in weiten Teilen gleichlautende Nachfolgevorschrift des Art. 7 Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV) übertragbar (vgl. hierzu auch News vom 22.07.2014 >> https://www.wettbewerbszentrale.de/de/aktuelles/_news/?id=1443).
Es ist nun Sache des BGH, unter Zugrundelegung des Verständnisses des Europäischen Gerichtshofes anhand der auf der Teepackung „verwendeten Begriffe und Abbildungen sowie Platzierung, Größe, Farbe, Schriftart, Sprache, Syntax und Zeichensetzung der verschiedenen Elemente“ die Irreführung abschließend zu beurteilen.
Quelle und weiterführende Informationen:
EuGH, Urteil vom 04.05.2015, Rs. C-195/14 >>
News der Wettbewerbszentrale vom 14.03.2014 zum Vorlagebeschluss des BGH >>
Anmerkung:
Auch die Wettbewerbszentrale hatte sich bereits mit irreführenden Fruchtabbildungen oder dem Eindruck vermeintlich enthaltener Zutaten auseinandersetzen:
2012 entschied das OLG Karlsruhe in einem von der Wettbewerbszentrale geführten Verfahren über ein nicht wasserklares Near-Water-Getränk mit dem Namen „Mango-Orangenblüte“, das neben Abbildungen von Orangenblüten und der wörtlichen Nennung auch den Hinweis „mit dem Hauch von Frucht und Blüte“ zeigte, aber keine Bestandteile von Orangenblüten enthielt, dass ein Verstoß gegen das Irreführungsverbot vorliege (Urteil vom 14.03.2012, Az. 6 U 12/11, siehe hierzu die Pressemitteilung der Wettbewerbszentrale vom 11.04.2012 >>).
2014 verpflichtete sich ein Mineralbrunnen-Unternehmen vor dem LG Nürnberg-Fürth zur Unterlassung bezüglich der Produktaufmachung einer orange-rot eingefärbten Limonade mit dem Namen „Blutorange“, dem Hinweis „mit Drachenfrucht verfeinert“ und der naturgetreuen Abbildung einer Pitaya und einer Blutorange, wobei beide Früchte nicht enthalten waren, sondern nur eine Aromatisierung und Färbung vorlag ( siehe hierzu die News der Wettbewerbszentrale vom 15.05.2014 >>).
sb
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