Die Kommission hat Glaxo untersagt, ihre Arzneimittel zu Preisen zu verkaufen, die danach differenziert werden, wer die Kosten dafür übernimmt. Glaxo hatte die Arzneimittel-Preise danach unterteilt, welches nationale Krankenversicherungssystem die Kosten für die Arzneimittel übernimmt.
Die Kommission hat zwar zu Recht ausgeführt, dass die allgemeinen Verkaufsbedingungen von GlaxoSmithKline den Wettbewerb einschränken, indem sie ein Sinken der Arzneimittelpreise und -kosten verhindern, doch hat sie nicht hinreichend geprüft, ob sie durch einen Beitrag zur Finanzierung der pharmazeutischen Innovation einen wirtschaftlichen Vorteil bewirken können.
Glaxo Wellcome (GW) ist eine spanische Tochtergesellschaft des Konzerns GlaxoSmithKline (GSK), einem der weltweit bedeutendsten Hersteller von Pharmazeutika. Im März 1998 führte sie neue allgemeine Verkaufsbedingungen ein, in denen vorgesehen ist, dass ihre Arzneimittel an spanische Großhändler zu unterschiedlichen Preisen verkauft werden, je nachdem, welches nationale Krankenversicherungssystem die Kosten dafür übernimmt. In der Praxis sollen die Arzneimittel, die zur Kostenübernahme in anderen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft bestimmt sind, zu einem höheren Preis verkauft werden als die, die zur Kostenübernahme in Spanien bestimmt sind. Dieses System wurde eingeführt, um den Parallelhandel mit Arzneimitteln zwischen Spanien, wo die Verwaltung Höchstpreise festsetzt, und anderen Mitgliedstaaten, insbesondere dem Vereinigten Königreich, wo die Preise auf einem höheren Niveau liegen, zu begrenzen, um die so erzielten Mehreinnahmen für Innovation zu verwenden.
GSK meldete diese allgemeinen Verkaufsbedingungen bei der Kommission an, um eine Entscheidung zu erlangen, mit der bestätigt wird, dass sie nicht nach dem Gemeinschaftskartellrecht untersagt sind (Artikel 81 Absatz 1 EG), oder, hilfsweise, eine Entscheidung, mit der sie als Vereinbarung, die zur Förderung des technischen Fortschritts beiträgt, freigestellt werden (Artikel 81 Absatz 3 EG). Parallel dazu gingen bei der Kommission mehrere gegen die allgemeinen Verkaufsbedingungen gerichtete Beschwerden spanischer und europäischer Verbände von Arzneimittelgroßhändlern und eines spanischen Großhändlers ein. Am 8. Mai 2001 entschied die Kommission, dass die allgemeinen Verkaufsbedingungen nach dem Gemeinschaftskartellrecht untersagt seien, da es sich dabei um eine wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung handele. Ferner entschied sie, dass GSK ihr gegenüber nicht den Nachweis erbracht habe, dass die Voraussetzungen erfüllt seien, unter denen für eine solche Vereinbarung eine Freistellung gewährt werden könne. Sie gab GSK daher auf, die entsprechende Zuwiderhandlung abzustellen. GSK hat beim Gericht erster Instanz beantragt, die Entscheidung der Kommission in vollem Umfang für nichtig zu erklären.
Mit seinem heutigen Urteil verwirft das Gericht die Analyse der Kommission teilweise. Was zunächst das Bestehen einer Vereinbarung zwischen Unternehmen betrifft, führt das Gericht aus, dass die Kommission fehlerfrei den Schluss gezogen hat, dass die allgemeinen Verkaufsbedingungen eine Vereinbarung darstellten. Einige spanische Großhändler haben nämlich ausdrücklich akzeptiert, sich so zu verhalten, wie GW es von ihnen gewünscht hatte. Was sodann das Vorliegen einer Einschränkung des Wettbewerbs anbelangt, legt das Gericht dar, dass der wesentliche Schluss der Kommission, dass die allgemeinen Verkaufsbedingungen eine Einschränkung des Wettbewerbs bezweckten, da sie unterschiedliche Preise vorsähen, mit denen der Parallelhandel mit Arzneimitteln begrenzt werden solle, fehlgeht.
Nach der Rechtsprechung ist die Kommission nämlich verpflichtet, Vereinbarungen unter Berücksichtigung ihres rechtlichen und wirtschaftlichen Kontextes zu analysieren. Doch hat die Kommission die Eigenart des Pharmasektors nicht ordnungsgemäß berücksichtigt. Anders als es in anderen Wirtschaftssektoren der Fall ist, werden die Preise der Arzneimittel, deren Kosten von den nationalen Krankenversicherungssystemen übernommen werden, nicht frei im Spiel von Angebot und Nachfrage bestimmt, sondern von den Mitgliedstaaten festgesetzt oder kontrolliert. Aus diesem Grund kann nicht vermutet werden, dass der Parallelhandel tendenziell die Preise sinken lässt und so tendenziell das Wohlergehen der Endverbraucher vermehrt, wie es ohne diese besondere Regelung der Fall wäre.
Allerdings ist das Gericht der Ansicht, dass es GSK nicht gelungen ist, den hilfsweise gezogenen Schluss der Kommission zu entkräften, dass die allgemeinen Verkaufsbedingungen eine Einschränkung des Wettbewerbs bewirkten. Insoweit ist nicht ausschlaggebend, dass sie die Handlungsfreiheit von GW und die der spanischen Großhändler begrenzen. Denn es liegt in der Natur jedes Vertriebsvertrags, die Autonomie der Beteiligten entsprechend den darin festgesetzten Bedingungen zu begrenzen. Insbesondere angesichts der von den Mitgliedstaaten ergriffenen Maßnahmen zur teilweisen Abschöpfung der von den Parallelhändlern erzielten Gewinne zugunsten der nationalen Krankenversicherungssysteme und der Patienten führt die konkrete Prüfung der Situation des Sektors allerdings zu der Feststellung, dass der Parallelhandel ein begrenztes, aber tatsächliches Sinken der Arzneimittelpreise und -kosten ermöglicht. Da die allgemeinen Verkaufsbedingungen verhindern, dass dieser Vorteil eintritt, mindern sie das Wohlergehen der Endverbraucher.
Schließlich stellt das Gericht fest, dass die Kommission den Freistellungsantrag von GSK nicht angemessen geprüft hat. Insbesondere wurde die Frage, ob die allgemeinen Verkaufsbedingungen durch einen Beitrag zur Innovation, die im Pharmasektor eine zentrale Rolle spielt, einen wirtschaftlichen Vorteil erzeugen könnten, nicht hinreichend vertieft. Denn die Kommission hat nicht alle relevanten Sachargumente und wirtschaftlichen Beweise gebührend berücksichtigt und ihre Schlussfolgerungen nicht hinreichend untermauert.
Da die Kommission ihren Standpunkt auch hinsichtlich der anderen Voraussetzungen, die eine Vereinbarung erfüllen muss, um freigestellt werden zu können, nicht weiter begründet hat, wird die Entscheidung für nichtig erklärt, soweit darin der Freistellungsantrag von GSK zurückgewiesen wird. Aufgrund der Rückwirkung dieser Nichtigerklärung wird die Kommission in die Lage versetzt, die bestand, als GSK ihren Freistellungsantrag stellte. Die Kommission hat demnach diesen Antrag, soweit sie damit befasst bleibt, erneut zu prüfen.
Urteil des Gerichts erster Instanz in der Rechtssache T-168/01
Quelle: Pressemitteilung des EuG vom 27.09.2006
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