In einem von der Wettbewerbszentrale geführten Grundsatzverfahren gegen eine Drogeriemarkt-Kette hat der Bundesgerichtshof heute entschieden, das Verfahren auszusetzen und die Frage, ob Desinfektionsmittel mit Angaben wie „hautfreundlich“ beworben werden dürfen, dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen (BGH, Vorlagebeschluss vom 20.04.2023; Az. I ZR 108/22). Das Unternehmen hatte für ein Desinfektionsmittel mit dessen Hautfreundlichkeit geworben. Die Wettbewerbszentrale wollte mit diesem Verfahren die Grenzen für die Bewerbung von Bioziden klären lassen, da sie – gerade zu Corona-Zeiten – viele Anfrage von Unternehmen zu diesen Werbeaussagen erhalten hat.
Werbebeschränkungen für Desinfektionsmittel
Zum rechtlichen Hintergrund: Bei Desinfektionsmitteln handelt es sich meist um Biozide. Die Werbung für diese Produktgruppe ist in der Biozidverordnung geregelt (Art. 69 und 72 BiozidV). Bestimmte Aussagen sind sowohl für die Etiketten als auch für die sonstige Werbung unzulässig, so z. B. „Biozidprodukt mit niedrigem Risikopotential“ oder „umweltfreundlich“. Darüber hinaus sind aber auch außerhalb dieser Schwarzen Liste verwendete „ähnliche“ Hinweise unzulässig. Damit trägt der Gesetzgeber der Tatsache Rechnung, dass es sich bei Bioziden um Produkte handelt, die Schädlinge abtöten, damit aber auch negative Auswirkungen auf Mensch und Umwelt haben können. Die Produkte sollen daher in der Werbung nicht verharmlost werden. Umstritten ist, wann ein solch „ähnlicher“ und damit unzulässiger Hinweis vorliegt.
OLG Karlsruhe: Bezug zur Hautfreundlichkeit ist keine pauschal verharmlosende Aussage
Das OLG Karlsruhe hatte entschieden, dass der Begriff „hautfreundlich“ kein „ähnlicher“ und damit unzulässiger Begriff im Sinne des Art. 72 Abs. 3 Satz 2 BiozidV sei. Die Wettbewerbszentrale hatte geltend gemacht, die Aussagen seien gleichbedeutend mit den nach Art. 72 Abs. 3 BiozidV genannten, per se verbotenen Aussagen wie „ungiftig“ oder „unschädlich“. Jedenfalls werde das niedrige Risikopotential herausgestellt. Während das Landgericht der Klage noch stattgegeben hatte, vertrat das Oberlandesgericht eine andere Auffassung: Die Aussagen seien den per se verbotenen nicht ähnlich; sie relativierten das Risikopotential des Produktes oder seiner Wirkungen und deren Schädigungseignung nicht pauschal. Vielmehr beschrieben die Aussagen – wenn auch insoweit sehr allgemein – die Produktwirkung auf ein spezifisches Organ, nämlich die Haut des Menschen. Die Angabe „Bio“ oder die Bezeichnung als „ökologisches Universal-Breitband-Desinfektionsmittel“ hielt das Gericht aber mit Blick auf die Ähnlichkeit mit den generell verbotenen Aussagen wie “umweltfreundlich“ oder „natürlich“ für unzulässig und damit auch wettbewerbswidrig. (OLG Karlsruhe, Urteil vom 08.06.2022, Az. 6 U 95/21; LG Karlsruhe, Urteil vom 25.03.2021, Az. 14 O 61/20).
In der Revisionsinstanz ging es nur noch um den Begriff „hautfreundlich“.
Was sind ähnliche Hinweise?
Der BGH möchte nunmehr vom EuGH wissen:
„Sind „ähnliche Hinweise“ im Sinne von Art. 72 Abs. 3 Satz 2 der BiozidV (EU) Nr. 528/2012 nur solche in einer Werbung enthaltenen Hinweise, die genauso wie die in dieser Vorschrift ausdrücklich aufgezählten Begriffe die Eigenschaften des Biozids hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch und Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit in pauschaler Weise verharmlosen, oder fallen unter „ähnliche Hinweise“ alle Begriffe, die hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit einen den konkret aufgezählten Begriffen vergleichbaren verharmlosenden, nicht aber zwingend auch einen generalisierenden Gehalt wie diese aufweisen?“
F 04 0289/20
ck
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