Home News BVerfG und BGH: Neue Entscheidungen zur Bezeichnung „Zentrum“

BVerfG und BGH: Neue Entscheidungen zur Bezeichnung „Zentrum“

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass der Begriff „Zentrum“ im Grundsatz nach wie vor auf eine besondere Bedeutung und Größe eines Unternehmens hinweist (BGH, Urteil vom 18.01.2012, I ZR 104/10). Im Streitfall hatte eine Klinik ein „Neurologisch/vaskuläres Zentrum“ als Unterabteilung der Fachabteilungen für Innere Medizin und für Frührehabilitation eingerichtet. Die Abteilung verfügte unstreitig nicht über eine überdurchschnittliche Ausstattung oder Erfahrung auf dem Gebiet der Behandlung neurologischer Erkrankungen.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass der Begriff „Zentrum“ im Grundsatz nach wie vor auf eine besondere Bedeutung und Größe eines Unternehmens hinweist (BGH, Urteil vom 18.01.2012, I ZR 104/10). Im Streitfall hatte eine Klinik ein „Neurologisch/vaskuläres Zentrum“ als Unterabteilung der Fachabteilungen für Innere Medizin und für Frührehabilitation eingerichtet. Die Abteilung verfügte unstreitig nicht über eine überdurchschnittliche Ausstattung oder Erfahrung auf dem Gebiet der Behandlung neurologischer Erkrankungen.

Das Berufungsgericht hatte noch angenommen, dass der Begriff des „Zentrums“ einen Bedeutungswandel erfahren habe und der Verbraucher aus der Verwendung einer solchen Bezeichnung nicht auf die besondere Größe oder Bedeutung einer Einrichtung schließe. Nach Auffassung des BGH entspricht das vom Berufungsgericht festgestellte Verkehrsverständnis allerdings nicht der Lebenserfahrung. Der Begriff des Zentrums werde im Grundsatz als Charakterisierung von Unternehmen nach Bedeutung und Größe verstanden oder jedenfalls vom Verkehr auf einen solchen entsprechenden Tatsachenkern zurückgeführt. Im Streitfall hielt der BGH die Bezeichnung „Neurologisch/vaskuläres Zentrum“ für irreführend nach §§ 3, 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG; weil die beklagte Klinik damit eine für die Nachfrageentscheidung des Werbeadressaten relevante unzutreffende Vorstellung über ihre Qualifikation hervorrufe.

Das Urteil dürfte insbesondere für die Gesundheitsbranche von Interesse sein, da der Begriff des „Zentrums“ hier häufig verwendet wird. Die Entscheidung ist aber auch deshalb bemerkenswert, weil sich der Bundesgerichtshof offensichtlich von der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts abgrenzen wollte. Dieses hat in einem Beschluss aus dem Jahre 2005 zwar die Verfassungsbeschwerde von zwei Tierärzten, die ihre Praxis als „Zentrum für Kleintiermedizin“ bezeichneten, gegen eine berufsgerichtliche Entscheidung nicht angenommen. Gleichzeitig wiesen die Richter am Bundesverfassungsgericht aber darauf hin, dass es schwer vorstellbar sei, dass die Bezeichnung einer tierärztlichen Praxis als „Zentrum für Kleintiermedizin …“ die Gefahr einer Irreführung der Bevölkerung in sich birgt, denn „den Beschwerdeführerinnen ist darin zuzustimmen, dass der Begriff des „Zentrums“ im Zusammenhang mit der Bezeichnung von Dienstleistungslokalitäten einen Bedeutungswandel erfahren hat, der auch der Öffentlichkeit nicht verborgen geblieben sein wird.“ (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 09.02.2005, Az. I BvR 2751/04). Infolge dieses Beschlusses haben viele Instanzgerichte Klagen wegen des Begriffes „Zentrum“ abgewiesen (so etwa LG Erfurt, Urteil vom 22.04.2008, Az. I HKO 221/07 zu einem von der Wettbewerbszentrale geführten Prozess gegen ein „Rheumazentrum“). Offensichtlich hatte sich auch das Berufungsgericht im Verfahren zum Neurologisch/vaskulären Zentrum die Auffassung vom Bedeutungswandel zu Eigen gemacht und die Irreführung verneint.

Nur wenige Wochen nach der Entscheidung des BGH befasste sich das BVerfG mit der Verfassungsbeschwerde von Zahnärzten, denen untersagt worden war, für Ihre Praxis mit „Zentrum für Zahnmedizin“ zu werben (BVerfG, Beschluss vom 7.03.2012, 1 BvR 1209/11). Die Vorgerichte hatten ein Verbot auf eine Regelung in der zahnärztlichen Berufsordnung gestützt, die es Zahnärzten grundsätzlich verbietet, mit dem Begriff „Zentrum“ zu werben. Die Zahnärzte sahen sich durch das Verbot in ihrem Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit, Art.12 GG, verletzt und legten Verfassungsbeschwerde ein.

Auch das BVerfG vertritt nun die differenzierte Auffassung, dass einem Arzt oder Zahnarzt die Verwendung einer Formulierung verboten ist, wenn diese im konkreten Fall irreführend oder sachlich unangemessen ist. Im Streitfall verwies es an das zweitinstanzliche Gericht zurück mit der Maßgabe, dieses müsse im Instanzenrechtszug nicht berücksichtigte Gesichtspunkte wie etwa den Vergleich mit anderen Praxen im relevanten Gebiet neu erörtern und beurteilen.

Als Fazit bleibt damit festzuhalten, dass es bei der Beurteilung der Frage, ob der Begriff des Zentrums irreführend verwendet wird, auch weiterhin bei einer Einzelfallbetrachtung bleibt. Die Bezeichnung lässt sich weder pauschal verbieten, etwa durch berufsrechtliche Regelungen oder der pauschal aufgestellten Behauptung, ein Unternehmen sei nicht „Zentrum“. Noch lässt sich die Irreführungsgefahr mit dem Hinweis auf einen gewandelten Bedeutungsinhalt des Zentrums generell verneinen.

ck

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