Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem gerade im Volltext veröffentlichten Urteil entschieden, dass Testaufnahmen in Geschäftsräumen nach einer Interessenabwägung zulässig sind, wenn ohne diese Fotografien ein möglicher Wettbewerbsverstoß nicht nachweisbar ist.
Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs war das ungenehmigte Fotografieren durch Testpersonen innerhalb der Geschäftsräume eines Kaufmanns als wettbewerbswidrig angesehen worden. Denn das Fotografieren innerhalb der Geschäftsräume eines Kaufmanns gehöre nicht zu dem üblichen Verhalten von Käufern, so dass es zu einer Rufschädigung des Geschäfts kommen könne (Urteil vom 25.4.1991 – I ZR 283/89 – Testfotos I; Urteil vom 23.5.1996 – I ZR 122/94, – Testfotos II). Daher sollte ein möglicher Wettbewerbsverstoß durch eine Beobachtungsperson nachgewiesen werden, die insbesondere durch Gedächtnisnotizen den beobachteten Sachverhalt im Einzelnen festhalten könne. Ob etwas anderes zu gelten habe, wenn der angenommene Wettbewerbsverstoß ohne eine Fotografie überhaupt nicht verfolgt werden könnte, hatte der BGH bisher offen gelassen.
Im vorliegenden Fall kommt der BGH zu dem Ergebnis, dass der behauptete Wettbewerbsverstoß ohne die Fotoaufnahmen nicht hinreichend hätte dargelegt werden können. Der BGH führt hierzu aus, dass in einem solchen Fall die Anfertigung von Fotos jedenfalls dann nicht unlauter ist, wenn ein überwiegendes Interesse des Geschäftsinhabers an der Vermeidung einer möglichen Betriebsstörung nicht besteht, insbesondere, wenn -wie hier- eine konkrete Gefahr einer erheblichen Belästigung nicht gegeben ist. Deshalb überwiegt im vorliegenden Fall das Interesse der Klägerin, mit Hilfe der Fotoaufnahmen den Wettbewerbsverstoß der Beklagten zu beweisen, das Interesse der Beklagten an der Vermeidung einer Betriebsstörung.
Zur weiteren Begründung führt der BGH aus:
Schon aufgrund der geänderten Lebensverhältnisse kann nicht mehr davon ausgegangen werden, dass mit ungenehmigtem Fotografieren in Geschäftsräumen generell die Gefahr einer erheblichen Störung des Betriebs verbunden ist. Die technische Entwicklung ermöglicht es inzwischen, mit Digitalkameras auch kleineren Formats, Kameras in Mobiltelefonen und sogar in Armbanduhren ohne größeren Aufwand jederzeit, an allen Orten und bei jeder Gelegenheit Fotoaufnahmen herzustellen. Von dieser Möglichkeit wird in zunehmendem Ausmaß Gebrauch gemacht, ohne dass damit generell eine erhebliche Behinderung oder unangemessene Belästigung Dritter verbunden sein muss. Angesichts des mittlerweile verbreiteten Einsatzes von Digitalkameras und Fotomobiltelefonen zu allen möglichen mehr oder weniger sinnvollen Zwecken kommt für den Beobachter auch in Betracht, dass das Fotografieren von Waren oder Warenpräsentationen durch Dritte aus anderen, nicht rufschädigenden Gründen erfolgt, etwa um vor dem Erwerb einer Ware die Meinung eines anderen hierzu einzuholen
Der BGH lässt in diesem Fall offen, ob unter diesen Umständen weiter daran festgehalten werden kann, dass Fotoaufnahmen in Geschäftslokalen zu Testzwecken grundsätzlich unabhängig davon unlauter sind, ob es im Einzelfall tatsächlich zu einer erheblichen Betriebsstörung kommt oder zumindest die (konkrete) Gefahr einer solchen besteht. Jedenfalls kann bei der Interessenabwägung, die in Fällen wie dem vorliegenden vorzunehmen ist, in denen der Beweis eines Wettbewerbsverstoßes anders nicht zu führen ist, dem Interesse des Geschäftsinhabers, mögliche Betriebsstörungen zu verhindern, nur dann der Vorrang eingeräumt werden, wenn nach den Umständen des Einzelfalls die konkrete Gefahr einer erheblichen Betriebsstörung zu befürchten ist.
Urteil des Bundesgerichtshofs vom 25.01.2007, I ZR 133/04
Quelle und weiterführende Information:
Urteil des Bundesgerichtshofs vom 25.01.2007, I ZR 133/04 – Testfotos III – >>
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