Nach einem jüngst veröffentlichten Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH I ZR 164/04) liegt keine unlautere gezielte Mitbewerberbehinderung vor, wenn ein etablierter Telefonnetzbetreiber den Telefonanschluss eines Kunden entgegen einer vertraglichen Verpflichtung nicht dauerhaft auf die Vorwahl eines anderen Netzbetreibers umstellt und diese Vertragsverletzung nur versehentlich erfolgte. Das gilt selbst dann, wenn dem Vertragsbrüchigen dadurch Kunden zugeführt werden und sich dies auf den Absatz des Mitbewerbers nachteilig auswirken kann. Im Rahmen eines solchen Massengeschäfts kommt einem versehentlichen Verstoß keine besondere Bedeutung zu.
Im vorliegenden Fall klagte eine Betreiberin eines Telekommunikationsnetzes, das zwar keine Teilnehmeranschlüsse aufweist, aber Teilnehmernetze miteinander verbindet (Verbindungsnetzbetreiber – VNB). Die Beklagte ist Betreiberin eines Teilnehmeranschlüsse aufweisenden Telekommunikationsnetzes (Teilnehmernetzbetreiber – TNB) und hält für ihre Kunden auch ein Verbindungsnetz bereit. Die dauerhafte Voreinstellung (Preselection) eines Teilnehmeranschlusses auf einen Verbindungsnetzbetreiber kann auf Wunsch des Kunden durch eine Umschaltung durch den Teilnehmernetzbetreiber auf einen anderen Verbindungsnetzbetreiber geändert werden. Hierzu haben sich die Beklagte als Teilnehmernetzbetreiberin und verschiedene Verbindungsnetzbetreiber – darunter die Klägerin – für das Preselection-Verfahren auf eine „Spezifikation – Administrative und betriebliche Abläufe bei Änderung der dauerhaften Voreinstellung des Verbindungsnetzbetreibers (Spezifikation VNB-Wechsel 2.5)“ verständigt.
Nach Auffassung der Klägerin hat die Beklagte gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen, weil sie in zwei Fällen die dauerhafte Umstellung auf die Vorwahl der Klägerin nicht vorgenommen hat, obwohl sie hierzu vertraglich verpflichtet gewesen wäre.
Dieser Auffassung folgte der BGH jedoch nicht:
Eine versehentliche Vertragsverletzung im Einzelfall sei als solche noch keine Wettbewerbshandlung der Beklagten, durch die sie die Klägerin i. S. von § 4 Nr. 10 UWG, § 1 UWG a.F. unlauter behindere. Im Rahmen des hier vorliegenden Massengeschäfts komme einem versehentlichen Verstoß gegen die Verpflichtung, die Voreinstellung auf die Klägerin umzustellen, keine besondere Bedeutung zu.
Zwar bewirke die Nichtausführung der Umstellung zu dem bestätigten Termin, dass die Leistungsbeziehung des Teilnehmers zur Beklagten faktisch weitergeführt und er daran gehindert werde, die Leistungen der Klägerin in Anspruch zu nehmen. Damit verbleibe der betreffende Kunde – zumindest für einen gewissen Zeitraum – bei der Beklagten und werde der Klägerin entzogen. Diese objektive Wirkung der versehentlichen Nichtausführung der Umstellung zu dem bestätigten Zeitpunkt mache das Verhalten der Beklagten jedoch noch nicht unlauter. Der BGH stellt nochmals klar (vgl. BGH Z 110,156, 171), dass ein Mitbewerber keinen Anspruch auf Erhaltung seines Kundenstammes hat. Das Eindringen in einen fremden Kundenkreis und das Ausspannen sowie Abfangen von Kunden, auch wenn diese an einen Mitbewerber gebunden sind, gehören vielmehr grundsätzlich zum Wesen des Wettbewerbs. Das Ausspannen und Abfangen von Kunden sei nur wettbewerbswidrig, wenn besondere, die Unlauterkeit begründende Umstände hinzutreten. Bei nur versehentlichen Vertragsverletzungen der hier in Rede stehenden Art könne nicht von einer unangemessenen Einwirkung ausgegangen werden.
Quelle:
Urteil des Bundesgerichtshofs vom 29. März 2007, Az. I ZR 164/04 – Änderung der Voreinstellung – >>
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