Der Bundesgerichtshof hatte zum wiederholten Male über die Frage zu entscheiden, ob ein Hersteller, der den Einzelhandel beliefert, gegen das kartellrechtliche Preisbindungsverbot verstößt, wenn er die zum Weiterverkauf durch den Einzelhandel bestimmte Ware mit einem Packungsaufdruck versieht, der den Einzelhändler in der Freiheit der Gestaltung des Wiederverkaufspreises beeinträchtigt.
In dem zu entscheidenden Fall hatte der Hersteller die zu seinem Sortiment gehörenden „Duplo“-Schokoladenriegel, die üblicherweise einzeln oder in einer 10-Stück-Normalpackung verkauft werden, im Rahmen einer sechswöchigen Verkaufsförderaktion in einer „Aktionsbox“ mit elf Riegeln Inhalt und dem Packungsaufdruck „nur für kurze Zeit: 1 Riegel extra“ in den Handel gebracht. In einem begleitenden Fernsehwerbespot wurde mit der Aussage „1 Riegel mehr drin … aber kostet nicht mehr“ auf die Aktion aufmerksam gemacht. Ein konkurrierender Süßwarenhersteller sah in dieser Aktion einen Verstoß gegen § 14 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Nach dieser Bestimmung sind u.a. Vereinbarungen zwischen dem Hersteller und dem Händler einer Ware verboten, soweit sie den Händler in der Freiheit der Gestaltung des Wiederverkaufspreises für die vom Hersteller bezogene Ware beschränken.
Das Landgericht sah den Verbotstatbestand als erfüllt an. Durch den Packungsaufdruck und die begleitende Fernsehwerbung werde bei den Verbrauchern die Erwartung geweckt, die Werbepackung mit elf Riegeln Inhalt könne zu dem jeweils für die Normalpackung verlangten Preis erworben werden. Da sich der Händler dieser Erwartung nicht entziehen könne, sei er in seiner Freiheit beeinträchtigt, die inhaltlich vergrößerte Werbepackung zu einem über dem der Normalpackung liegenden Preis zu verkaufen.
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat diese Entscheidung auf die Sprungrevision des „Duplo“-Herstellers aufgehoben und die Klage abgewiesen. Er ist damit von einer Entscheidung aus dem Jahre 1978 abgerückt, in der er eine vergleichbare Werbeaktion u.a. für „Mars“-Schokoriegel („4 zum Preis für 3“) als Verstoß gegen das Preisbindungsverbot angesehen hatte. Er ist dem Landgericht zwar darin gefolgt, daß die mit der Klage beanstandeten Werbemaßnahmen geeignet sind, eine bestimmte Preiserwartung der Verbraucher hervorzurufen, die den Einzelhändler faktisch dazu zwingt, den vom Hersteller vorbestimmten Wiederverkaufspreis zu übernehmen. Ein solcher faktischer Zwang kann den Verbotstatbestand des § 14 GWB ebenso erfüllen wie eine vertragliche Festlegung der Wiederverkaufspreise. In der Rechtsprechung ist seit langem anerkannt, daß das Preisbindungsverbot auch dann verletzt ist, wenn der Partner des Erstvertrages (zwischen Hersteller und Händler) bei der inhaltlichen Ausgestaltung von Zweitverträgen (über den Wiederverkauf der bezogenen Waren) zwar – wie hier – rechtlich frei ist, aber im übrigen vertraglichen Bindungen unterliegt, die den Gebrauch dieser Freiheit in einer Weise mit wirtschaftlichen Nachteilen verbinden, daß dies einer rechtlichen Bindung gleichkommt. Eine wirtschaftliche Bindung in diesem Sinne kann auch dann gegeben sein, wenn Gegenstand des Erstvertrages die Belieferung eines Wiederverkäufers mit einer Ware ist, deren Wiederverkaufspreis vom Hersteller in einer Weise vorbestimmt ist, die den Wiederverkäufer faktisch dazu zwingt, auf den Gebrauch seiner – rechtlich unbeschränkten – Preisgestaltungsfreiheit zu verzichten und den vom Hersteller im voraus festgelegten Wiederverkaufspreis zu übernehmen.
Gleichwohl erfüllt die mit der Klage beanstandete Werbeaktion nicht den Verbotstatbestand des § 14 GWB, weil sie sich auf die Preisgestaltungsfreiheit der Einzelhändler nur für eine kurze Zeitspanne von sechs Wochen und praktisch nicht spürbar auswirkte. Denn während des Aktionszeitraums konnten die Einzelhändler die inhaltlich vergrößerten Werbepackungen zum Preis der Normalpackung beziehen und sie daher mit der gleichen Gewinnspanne wie die Normalpackung – und wegen der Werbewirkung der Verkaufsförderaktion in größerer Stückzahl – weiterverkaufen. Da mithin ein über dem Preis der Normalpackung liegender Abgabepreis für die Aktionsware aus der Sicht eines vernünftigen Kaufmanns ohnehin nicht in Betracht kam, fehlt es an einer spürbaren Einschränkung der Preisgestaltungsfreiheit und damit an einer gegen § 14 GWB verstoßenden wirtschaftlichen Bindung der Einzelhändler.
Urteil vom 8. April 2003 – KZR 3/02
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