In einem Verfahren der Wettbewerbszentrale hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 13.07.2023 die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt, wonach der Hersteller eines CEREC-Systems zur Herstellung von Zahnersatz gegenüber Zahnärzten damit werben darf, Zahnärzte könnten beim Einsatz dieses Geräts im so genannten Praxislabor einen Gewinn erzielen (BGH, Urteil, Az. I ZR 60/22 vom 13.07.2023).
In dem Verfahren geht es um die Werbung eines Herstellers von Geräten zur Herstellung von Zahnersatz – so genannten CEREC-Geräten. Zahnärzte können mit diesen Geräten in ihrem eigenen Labor, dem so genannten Praxislabor, zum Beispiel In- und Onlays, Brücken oder Kronen für ihre Patienten herstellen. Das System kommt ausschließlich bei der privatzahnärztlichen Versorgung zur Anwendung.
Die Wettbewerbszentrale erhielt eine Beschwerde über Werbebroschüren für solche CEREC-Geräte, die sich an Zahnärzte und deren Steuerberater wendeten. Der Hersteller warb mit der Angabe, Zahnärzte könnten mit Eigenlabor könnten mit solchen Geräten höhere Gewinne erzielen, als wenn sie Zahnersatz von einem Fremdlabor beziehen. So hieß es in einer der Broschüren: „Mit CEREC wandelt der Zahnarzt Fremdlaborkosten in Eigenlaborgewinn um.“ An anderer Stelle hieß es: „Neben den zahnärztlichen Leistungen regelt § 9 der GOZ die individuelle Kalkulation der Laborkosten und erlaubt abweichend von der BEL II oder der BEB eine eigene Kalkulation der tatsächlich entstandenen Laborkosten. Hier entstehen Zahnärzten Freiräume für patientenindividuelle Lösungen
Ermöglicht das anwendbare Recht im so genannten Praxislabor eine Gewinnmarge?
Die Wettbewerbszentrale ging gegen diese Werbung vor, da sie der Auffassung war, dass die Angaben irreführend sind und Zahnärzte mit Eigenlabor zu einem Verstoß gegen das Berufsrecht auffordern. Ihrer Auffassung nach ermöglicht das anwendbare Recht keine Gewinne des Zahnarztes bei der Herstellung von Zahnersatz in Praxislabors. Der einschlägige § 9 der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) schreibt vor, dass „als Auslagen die dem Zahnarzt tatsächlich entstandenen angemessenen Kosten für zahntechnische Leistungen“ zu erstatten sind. Der Begriff der „Auslagen“ ist nach Auffassung der Wettbewerbszentrale so zu verstehen, dass lediglich die entstandenen Kosten, d.h. Material- und Arbeitskosten zuzüglich der anteiligen Kosten für die Nutzung der Geräte, an den Patienten durchberechnet werden dürfen. Diese Frage war bislang höchstrichterlich noch nicht entschieden.
Diese Ansicht vertrat bspw. das Oberlandesgericht Koblenz, das entschieden hatte ein Zahnarzt sei gemäß § 9 GOZ nicht berechtigt, einen Gewinnzuschlag zu erheben (OLG Koblenz, Beschl. v. 23.09.2004 – 10 U 90/04). Zudem hatte auch das Bundesministerium für Gesundheit in einer Stellungnahme aus 2016 die Auffassung vertreten, die Anfertigung von Zahnersatz im Praxislabor dürfe nur auf eine Kostenersparnis abzielen, nicht jedoch auf eine Einnahmenerhöhung.
Die Gegenseite hatte demgegenüber argumentiert, dass sich aus den Gesetzgebungsmaterialien ergibt, dass der Zahnarzt, wenn er im Praxislabor Zahnersatz anfertige, „die entstandenen Kosten unter Einschluss eines angemessenen kalkulatorischen Gewinnanteils als Auslagen abrechnen“ darf (BR-DrS 276/78). Was für gewerbliche Zahnlabore gelte, müsse auch für das Eigenlabor des Zahnarztes gelten.
In der 1. Instanz wies das Landgericht Darmstadt die Klage ab. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main wies die Berufung zurück und ließ die Revision nicht zu (Urteil vom 17.03.2022 – 6 U 51/21). Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Wettbewerbszentrale ließ der BGH die Revision zu.
BGH: Werbung ist nicht irreführend
Der BGH hat die Revision gegen das klagabweisende Urteil des OLG Frankfurt zurückgewiesen. Er hat die Auffassung des OLG bestätigt, dass die von der Werbung angesprochenen Zahnärzte die Werbung so verstehen, dass sie mit dem CEREC-System Effizienzgewinne erzielen und damit den Gewinn ihrer Praxis insgesamt erhöhen könnten.
BGH: Werbung verstößt auch nicht gegen Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ)
Zudem verstößt die Werbung nach Auffassung der Richter auch nicht gegen das zahnärztliche Gebührenrecht. Zwar sei richtig, dass ein Zahnarzt dann, wenn er ein Fremdlabor mit der Herstellung von Zahnersatz beauftrage, nicht zusätzlich zu den Kosten des Fremdlabors – in denen dessen Gewinnmarge enthalten ist – eine eigene Marge aufschlagen dürfe.
Stelle der Zahnarzt Zahnersatz dagegen im eigenen Praxislabor her, dürfe er einen angemessen kalkulierten Gewinnanteil als Auslagen abrechnen. Das ergebe sich aus der Auslegung des § 9 GOZ.
Der Begriff der „Auslagen“ in dieser Regelung sei nicht im Sinne einer „Vorkasse“ zu verstehen, sondern es handele sich um einen eigenen vergütungsrechtlichen Begriff.
Wenn man berücksichtige, dass es dem Zahnarzt freistehe, ob er ein Fremdlabor beauftragt oder Zahnersatz selbst auf eigenes betriebswirtschaftliches Risiko herstelle, sei nicht ersichtlich, warum er bei der letztgenannten Option nicht die Möglichkeit haben solle, eine dieses Risiko angemessen kompensierende Gewinnmarge in seine Vergütung einzubeziehen. Entsprechend habe auch der Verordnungsgeber in den Materialien zur GOZ argumentiert.
Nichts anderes folge aus der handwerksrechtlichen Einordnung der Praxislabore als unselbständige Hilfsbetriebe im Sinne von § 3 Abs. 3 Handwerksordnung (HwO), welche nicht gegenüber Dritten gewerbliche tätig werden dürften. Aus der handwerksrechtlichen Einordnung lasse sich kein Argument gegen die vergütungsrechtliche Erstattungsfähigkeit eines angemessenen kalkulatorischen Gewinnanteils herleiten. Entgegen der Revision könne eine solche Auslegung nicht dazu führen, dass Zahnärzte veranlasst werden könnten, ihre Entscheidungen über Zahnersatz primär nach dem Gewinn und nicht nach dem Patientenwohl auszurichten. Denn das ärztliche Gebührenrecht sei getrennt vom ärztlichen Berufsrecht zu betrachten, und die berufsrechtliche Pflicht, seine Entscheidungen allein nach medizinischen Gesichtspunkten mit Blick auf das Patienteninteresse zu treffen, habe der Zahnarzt unabhängig davon, ob er ein Fremdlabor beauftragt oder das Eigenlabor verwendet.
„Wir begrüßen, dass diese seit Langem umstrittene Rechtsfrage jetzt höchstrichterlich geklärt ist und alle Beteiligten ihr Verhalten daran ausrichten können“, so Syndikusrechtsanwalt Martin Bolm von der Wettbewerbszentrale.
(HH 01 0160/18)
mb
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