Der Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass bei wiederverwendbaren Hilfsmitteln (z. B. Krankenfahrzeugen, Gehhilfen oder Prothesen) eine gesetzliche Krankenkasse nicht sämtliche Leistungserbringer in die Versorgung ihrer Versicherten einbeziehen muss. Sie kann die Beauftragung auf solche Leistungserbringer beschränken, die in einem Ausschreibungsverfahren das preisgünstigste Angebot abgegeben haben. Damit muss sie nicht jeden nach sozialversicherungsrechtlichen Grundsätzen zugelassenen Leistungserbringer bei der Versorgung ihrer Versicherten berücksichtigen.
Die Beklagte in dem zu entscheidenden Rechtsstreit ist eine gesetzliche Krankenkasse, die im Bergbau Beschäftigte versichert. Ab Februar 1998 führte sie eine öffentliche Ausschreibung zur Versorgung ihrer Versicherten mit Krankenfahrzeugen sowie sonstigen, nicht preisvereinbarten wieder verwendbaren Hilfsmitteln durch. Ausgeschrieben hat die Beklagte Gebiets- und Fachlose. Pro Gebiets– und Fachlos erhielten zwei Bieter den Zuschlag. Im Jahre 2000 hat die Beklagte für Sachsen wiederum eine öffentliche Ausschreibung durchgeführt.
Bei wieder verwendbaren Hilfsmittel werden von der Beklagten nur Ausschreibungsgewinner beauftragt. Anderen Leistungserbringern wird mitgeteilt – und zwar auch dann, wenn die Preise nicht über denen der Ausschreibungsgewinner liegen -, dass eine Versorgung über einen Ausschreibungsgewinner veranlasst wird.
Die Klägerin ist eine Handwerksinnung, deren Bezirk sich auf das Gebiet des gesamten Freistaates Sachsen erstreckt. Sie hält diese Praxis für kartellrechtswidrig. Das System verstoße gegen §§ 19 Abs. 2 Satz 2, 20 Abs. 1 GWB, weil durch solche sozialversicherungsrechtlich nicht vorgesehenen Ausschreibungen die übrigen zugelassenen Leistungserbringer behindert und die Versicherten in ihrer Wahlfreiheit beschränkt würden. Ihre auf Unterlassung dieser Ausschreibungspraxis gerichtete Klage ist in erster Instanz erfolglos geblieben; auf ihre Berufung hat das Oberlandesgericht Dresden der Beklagten verboten, nur noch die Ausschreibungsgewinner mit der Versorgung ihrer Versicherten zu beauftragen.
Die Revision der Beklagten hatte Erfolg. Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat die Ausschreibungspraxis der Beklagten als unbedenklich angesehen. Er hat offengelassen, ob nach der durch das Gesundheitsreformgesetz 2000 neugefaßten Vorschrift des § 69 SGB V kartellrechtliche Regelungen auf die Rechtsbeziehungen zwischen gesetzlichen Krankenkassen und Leistungserbringern noch anwendbar sind. Denn aufgrund der Feststellungen des Berufungsgerichtes ist ein kartellrechtlicher Anspruch nicht gegeben. Die Beklagte ist nicht Normadressatin des § 20 Abs. 1 GWB, weil nur etwa 3 % aller Versicherten Mitglieder der Beklagten sind. Deshalb ist ihr Nachfragepotential zu gering, um eine nach § 20 Abs. 1 GWB notwendige marktmächtige Stellung begründen zu können. Der Kartellsenat hat – anders als das Berufungsgericht – auch ein Oligopol mit anderen gesetzlichen Krankenkassen im Sinne des § 19 Abs. 2 Satz 2 GWB verneint, weil die Beklagte als einzige Krankenkasse in Sachsen solche Ausschreibungen durchgeführt und sich damit von dem Nachfrageverhalten anderer gesetzlicher Krankenkassen gelöst hat.
Die gesetzliche Regelung des § 33 Abs. 5 SGB V erlaubt eine leihweise Überlassung wiederverwendbarer Hilfsmittel durch die gesetzlichen Krankenkassen an die Versicherten. Der Kartellsenat hat daher – in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes- die Ausschreibungspraxis der Beklagten auch nach sozialversicherungsrechtlichen Grundsätzen als zulässig angesehen.
Mit Beschluss vom selben Tage hat der Kartellsenat in einem gleichgelagerten weiteren Verfahren (KZR 18/02) die Revision von Innungsverbänden, die sich gegen ein klageabweisendes Urteil richteten, nicht zur Entscheidung angenommen (§ 554 b ZPO a. F.). Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte dort einen kartellrechtlichen Anspruch auf Unterlassung dieser Ausschreibungspraxis gegen dieselbe Beklagte rechtsfehlerfrei verneint.
Urteil vom 24. Juni 2003 – KZR 18/01
Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 25. Juni 2003
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