Der Bundesgerichtshof (BGH) hat ein Urteil des OLG Karlsruhe gegen den Hersteller von Trockensuppen für Kinder bestätigt (Az. I ZR 100/16 – Märchensuppe). Dem Unternehmen wurde untersagt, die Produkte als „mild gesalzen“ auszuloben.
Zum Sachverhalt
Gegenstand des Verfahrens waren drei Tütensuppen für Kinder mit einem Salzgehalt von 0,6 g, 0,7 g und 0,8 g Salz je 100 ml. Das entspricht bei allen drei Produkten einem Natriumgehalt von mehr als 0,12 g je 100 ml.
Geklagt hatte der Verbraucherzentrale Bundesverband, da der Hersteller der Suppe auf der Vorderseite der Produkte die Auslobung „Mild gesalzen – voller Geschmack“ verwendet hatte.
In seinen erst kürzlich veröffentlichten Urteilsgründen lässt der BGH genauso wie das OLG Karlsruhe offen, ob der Verbraucher die Auslobung „mild gesalzen“ als „natriumarm/kochsalzarm“ oder als „weniger gesalzen“ versteht. Beide Verständnisse führten im Ergebnis zu einer Unzulässigkeit der Auslobung „mild gesalzen“.
Voraussetzungen für die Werbung mit „natriumarm/kochsalzarm“
Versteht der Verbraucher die Auslobung als „natriumarm/kochsalzarm“, so ist diese aufgrund der o.g. Salz- bzw. Natriumgehalte unzulässig, denn im Anhang zu Artikel 8 Health Claims Verordnung (HCVO, Verordnung (EG) Nr. 1924/2006) heißt es:
- NATRIUMARM/KOCHSALZARM
- Die Angabe, ein Lebensmittel sei natrium-/kochsalzarm, sowie jegliche Angabe, die für den
- Verbraucher dieselbe Bedeutung hat, ist nur zulässig, wenn das Produkt nicht mehr als 0,12 g
- Natrium oder den gleichwertigen Gehalt an Salz pro 100 g bzw. 100 ml enthält. […]
Voraussetzungen für die Werbung mit einer vergleichenden Angabe
Versteht der Verbraucher die Auslobung „mild gesalzen“ dagegen als „weniger gesalzen“, so muss diese vergleichende Angabe sich einerseits an Art. 8 HCVO und andererseits an Art. 9 HCVO messen lassen. Ein REDUZIERTER SALZ- BZW. NATRIUMANTEIL darf nach dem Anhang zu Artikel 8 HCVO nur dann ausgelobt werden, wenn die Reduzierung gegenüber einem vergleichbaren Produkt mindestens 25 % ausmacht.
Der Hersteller der Suppe hatte sich darauf berufen, Art. 8 Abs. 1 HCVO (welcher in Verbindung mit dem Anhang der HCVO die Bedingungen für die Verwendung nährwertbezogener Angaben regelt) und Artikel 9 HCVO (welcher die Voraussetzungen für die Verwendung vergleichender Angaben regelt) seien eigenständige Tatbestände.
Anders sah das der BGH: Der Schutzzweck der Gewährleistung eines hohen Verbraucherschutzniveaus rechtfertigt nach Auffassung des BGH die Annahme, dass vergleichende Angaben zum erhöhten oder verminderten Nährstoffgehalt, die den Erfordernissen des Anhangs zu Artikel 8 der Verordnung genügen, mit Blick auf den behaupteten Nährstoffunterschied daneben auch die Zulässigkeitsvoraussetzungen des Artikel 9 Abs.1 Satz 2 HCVO erfüllen müssen.
Auch vergleichende Angabe, wenn kein konkretes Vergleichsprodukt genannt wird
Der BGH macht überdies deutlich, dass eine nährwertbezogene Angabe über einen reduzierten Nährstoffanteil auch dann eine vergleichende Angabe im Sinne von Art. 9 darstellt, wenn sie auf einen erhöhten oder verminderten Nährstoffgehalt hinweist, ohne hierbei Vergleichsprodukte zu nennen. Dies erfordere der Schutzzweck des hohen Verbraucherschutzniveaus, der sich aus den Erwägungsgründen 1, 9 und 16 der HCVO ergebe. Es besteht also die Hinweispflicht nach Art.9 Abs.1 Satz 2 HCV, wonach der Unterschied im Nährstoffgehalt anzugeben ist.
Platzierung des Hinweises
Und genauso im Sinne des hohen Verbraucherschutzniveaus der HCVO argumentiert der BGH hinsichtlich der Platzierung eines solchen Pflichthinweises: Der Verbraucher werde angesichts einer auf der Verpackungsvorderseite hervorgehobenen Angabe zum reduzierten Nährstoffgehalt, die aber im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang nicht weiter erläutert wird, über das Maß der Nährstoffreduktion im Unklaren gelassen. So hätte nach Ansicht des BGH zumindest in räumlichem Zusammenhang mit der nährstoffbezogenen Angabe (mild gesalzen) ein Hinweis angebracht werden müssen, wo sich die Zusatzinformation zum Unterschied im Salzgehalt, befindet.
Im Klartext:
Der Unterschied im Salzgehalt gegenüber Lebensmitteln derselben Kategorie (also Tütensuppen) muss bei einer vergleichenden nährwertbezogenen Angabe verpflichtend angegeben werden – unabhängig davon, ob ein konkretes Vergleichsprodukt genannt wird.
Praxistipp:
Damit sind vergleichende Angaben im Sinne der HCVO anders zu behandeln als vergleichende Werbung im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) bzw. der diesem zugrunde liegenden Richtlinie 2006/114/EG. Dies stellt der BGH in seinem Urteil klar heraus.
In der Praxis ist bei der Verwendung vergleichender nährwertbezogener Angaben also Vorsicht geboten. Eine solche kann immer nebeneinander zur Anwendung von Art. 9 HCVO und einer weiteren Angabe aus dem Anhang der HCVO führen. Es gibt in diesem Bereich noch immer zahlreiche ungeklärte Rechtsfragen. Sicher ist aber so viel: Art. 9 Abs.2 HCVO fordert im Rahmen eines Vergleichs die Berücksichtigung einer Reihe von Lebensmitteln derselben Kategorie. Damit ist nach herrschender Meinung eine Markterhebung erforderlich, mit der die durchschnittlichen Nährstoffmengen in Vergleichslebensmitteln ermittelt werden.
Weiterführende Informationen
Urteil des BGH v. 18.05.2017, Az. I ZR 100/16 – Märchensuppe >>
hg
Weitere aktuelle Nachrichten
-
Wettbewerbszentrale setzt Werbekennzeichnung im Influencer-Marketing durch
-
OLG Hamm: Unternehmen haftet für Fehler in Google Shopping-Anzeige
-
BMJ veröffentlicht Diskussionsentwurf zur Umsetzung der EmpCo-Richtlinie – Werbung mit Green Claims wird reguliert
-
Wettbewerbszentrale beanstandet Verlängerung einer zeitlich begrenzten Rabattaktion eines Online-Möbelhändlers als wettbewerbswidrig
-
BGH schafft Klarheit: Verkauf von Dekoartikeln durch Gartencenter an Sonntagen ist zulässig