Mit Urteil vom 9. Juni 2011, Az. I ZR 113/10, hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass ein Rechtsanwalt nicht grundsätzlich wettbewerbswidrig handelt, wenn er die Bezeichnung „Zertifizierter Testamentsvollstrecker (AGT)“ führt und dabei tatsächlich entsprechende theoretische und praktische Anforderungen erfüllt.
Der beklagte Rechtsanwalt hatte ein Zertifikat der Arbeitsgemeinschaft Testamentsvollstreckung und Vermögenssorge e.V. (AGT) erworben. Diese hatte auf Antrag eine Bescheinigung als „Zertifizierter Testamentsvollstrecker“ ausgestellt. Voraussetzung dafür war die Teilnahme an bestimmten Leistungskontrollen, wobei Rechtsanwälte zum Nachweis der praktischen Fertigkeiten lediglich eine zweijährige Tätigkeit im Beruf benötigten.
Die klagende Rechtsanwaltskammer hatte die Bezeichnung „Zertifizierter Testamentsvollstrecker (AGT)“ als irreführend und berufsrechtswidrig beanstandet: Der Beklagte weise keine hinreichenden praktischen Fähigkeiten auf dem Gebiet der Testamentsvollstreckung auf. Zudem werde der unzutreffende Eindruck vermittelt, dass es den Beruf des Testamentsvollstreckers gebe.
Nachdem das Landgericht Regensburg die Klage abgewiesen hatte, hat das Oberlandesgericht Nürnberg ihr stattgegeben. Die Werbung mit der Bezeichnung „Zertifizierter Testamentsvollstrecker (AGT)“, sei unsachlich und irreführend, weil dadurch bei den angesprochenen Verbrauchern die Erwartung geweckt werde, dass derjenige, der sich in dieser Weise präsentiere, regelmäßig als Testamentsvollstrecker tätig werde. Diese Voraussetzung erfülle der Beklagte nicht, da er bislang nach seinem eigenen Vortrag erst in zwei Fällen als Testamentsvollstrecker tätig geworden sei.
Der Bundesgerichtshof hat die Revision des Beklagten zurückgewiesen und dabei deutlich gemacht, dass das Führen der o.g. Bezeichnung zwar nicht per se wettbewerbswidrig ist, der Beklagte in persona aber nicht die dafür erforderlichen Voraussetzungen erfüllt:
Gegen einen Hinweis auf die Zertifizierung im Zusammenhang mit der Tätigkeit als Testamentsvollstrecker bestehen, so der BGH, aus berufs- und wettbewerbsrechtlicher Sicht zwar keine Bedenken. Die Angabe enthalte eine Information, die für das rechtssuchende Publikum durchaus von Bedeutung sei. Bei den Werbeadressaten werde dadurch nicht der unzutreffende Eindruck hervorgerufen, das Zertifikat sei von einer amtlichen Stelle ausgestellt worden. Auch die Verwendung der Bezeichnung „Testamentsvollstrecker“ sei an sich nicht irreführend oder unsachlich.
Die angesprochenen Verbraucher erwarteten von einem „zertifizierten Testamentsvollstrecker“ aber, dass er über besondere theoretische Kenntnisse und praktische Erfahrungen auf dem Gebiet der Testamentsvollstreckung verfüge. Dies setze auch bei Rechtsanwälten voraus, dass sie in der Vergangenheit wiederholt als Testamentsvollstrecker tätig geworden sind. Es sei daher irreführend, wenn Rechtsanwälte ohne praktische Erfahrung als Testamentsvollstrecker die Bezeichnung „zertifizierter Testamentsvollstrecker“ verwendeten. Auch eine zweimalige Tätigkeit als Testamentsvollstrecker reiche nicht aus, um den Erwartungen zu entsprechen, die der Verkehr an einen „zertifizierten Testamentsvollstrecker“ stelle.
Quellen und weiterführende Informationen:
Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs Nr. 102 vom 14.06.2011 >>
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