Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in zwei von der Apothekerkammer Nordrhein geführten Verfahren die Nichtzulassungsbeschwerde von DocMorris zurückgewiesen (BGH, Urteile vom 27.01.2016, Az. I ZR 67/14 und I ZR 68/14). Bei DocMorris N. V. handelt es sich um eine Apotheke in den Niederlanden, die von dort aus Arzneimittel an Kunden in Deutschland versendet. Das Oberlandesgericht Köln hatte der Apotheke verschiedene Prämien- und Bonusmodelle bei Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel unter Hinweis auf deutsches Arzneimittelpreisrecht untersagt (OLG Köln, Urteile vom 19.02.2014, Az. 6 U 103/13 und 6 U 113/13). Die Revision hatte das OLG nicht zugelassen. Mit ihrer Beschwerde zum BGH erstrebte die Apotheke die Zulassung der Revision und die Abweisung der Klage. Die Beschwerde hatte allerdings keinen Erfolg. Der BGH wies darauf hin, dass die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung habe und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung seine Entscheidung nicht erfordere. Auch eine Aussetzung bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) in einem derzeit anhängigen Verfahren zur Frage der Vereinbarkeit des deutschen Arzneimittelpreisrechts mit dem primären Unionsrecht lehnte der BGH ab.
Exkurs:
In diesem Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH, dem eine Klage der Wettbewerbszentrale zugrunde liegt, sah sich das OLG Düsseldorf veranlasst, dem EuGH die Frage vorzulegen, ob ein einheitlicher Apothekenverkaufspreis für verschreibungspflichtige Arzneimittel eine Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne von Art. 34 AEUV darstelle und ob die Preisbindung gemäß Art. 36 AEUV gerechtfertigt sei, wenn nur durch sie eine gleichmäßige und flächenmäßige Arzneimittelversorgung der Bevölkerung in ganz Deutschland, insbesondere in den ländlichen Gebieten, gewährleistet werde (OLG Düsseldorf, Vorlagebeschluss vom 24.03.2015, I-20 U 149/13). In dieser Sache hat der EuGH Termin anberaumt für den 17.03.2016.
Der BGH betonte, dass die Entscheidung, den Rechtsstreit auszusetzen, im Ermessen des Gerichts liege. Nach einer Abwägung der Interessen von Kläger und Beklagten und dem Interesse, widersprüchliche Entscheidungen zu vermeiden, sah der Senat beim BGH für eine Verfahrensaussetzung keinen Anlass. Er verwies im Wesentlichen auf eine Entscheidung des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes, mit der bereits entschieden worden ist, dass das deutsche Arzneimittelpreisrecht auch für verschreibungspflichtige Arzneimittel gilt, die Apotheken mit Sitz in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union im Wege des Versandhandels nach Deutschland an Endverbraucher abgeben (GmS-OGB, Beschluss vom 22.08.2012, Gms-OGB 1/10). In dem dortigen Verfahren hatte der Gemeinsame Senat darüber hinaus angenommen, dass ein Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit im Sinne des Art. 34 AEUV nicht vorliege, darüber hinaus aber auch nach Art. 36 AEUV gerechtfertigt wäre.
Auch ein Schreiben der Europäischen Kommission vom November 2013 an die Bundesrepublik Deutschland veranlasste den BGH nicht, die Sache bis zu einer Entscheidung des EuGH auszusetzen. In dem Schreiben vertritt die Europäische Kommission die Auffassung, dass die Bundesrepublik Deutschland mit der Einführung der Regelung der Preisbindung auch für ausländische Apotheken (§ 78 Abs. 1 Satz 4 AMG) gegen Art. 34 AEUV verstoße, weil die Preisbindung den Marktzugang für importierte verschreibungspflichtige Arzneimittel tatsächlich wesentlich erschwere. Der BGH sieht dies anders; er ist der Auffassung, dass ausländische Versandapotheken durch den einheitlichen Apothekenabgabepreis nicht stärker beschränkt werden als inländische Apotheken. Auch der Beurteilung der Europäischen Kommission, die Preisbindung sei nicht aus Gründen des Gesundheitsschutzes gerechtfertigt, schließt sich der Senat nicht an und verweist auf den Wertungsspielraum, der den Mitgliedsstaaten vom EuGH bei der Festlegung und Organisation des Gesundheitswesens zugestanden werde. Letztlich weist der BGH darauf hin, dass Entscheidungen der Kommission im Rahmen eines Vertragsverletzungsverletzungsverfahrens die nationalen Gerichte nicht binden.
Weiterführende Informationen
ck
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