Der BGH hat bereits im Februar entschieden, dass das Werbeverbot des § 3a Heilmittelwerbegesetz (HWG) nicht für Arzneimittel gilt, die als so genannte Defekturarzneimittel in einer Apotheke in kleinen Mengen hergestellt werden. Nun sind die Entscheidungsgründe veröffentlicht worden (BGH, Urteil vom 09.02.2017, I ZR 130/13 – Weihrauch-Extrakt-Kapseln II).
Zum Sachverhalt
Der Kläger in dem Verfahren vertreibt in Deutschland Weihrauch-Kapseln als Nahrungsergänzungsmittel. Der Beklagte, ein Apotheker, vertreibt die Weihrauch-Extrakt-Kapseln in seiner Apotheke und stellt diese dort auch als so genannte Defekturarzneimittel her. Defekturarzneimittel sind Arzneimittel, die im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs aufgrund häufiger ärztlicher oder zahnärztlicher Verschreibung in einer Menge bis zu 100 Packungen am Tag hergestellt werden. Obwohl es sich um Arzneimittel handelt, sind sie ausnahmsweise von der sonst für Arzneimittel geltenden Zulassungspflicht ausgenommen. Dies ergibt sich aus § 21 Abs. 2 Nr. 1 Arzneimittelgesetz (AMG). Der Kläger hatte sich gegen verschiedene Werbeaussagen des Beklagten gewandt, mit denen er den Herstellungsvorgang schilderte und zum Beispiel darauf hinwies, dass Weihrauch seit Jahrtausenden als Heilmittel eingesetzt werde. Der Kläger berief sich auf § 3a HWG. Nach dieser Vorschrift ist eine Werbung für Arzneimittel unzulässig, die der Pflicht zur Zulassung unterliegen und die nicht nach den arzneimittelrechtlichen Vorschriften zugelassen sind oder als zugelassen gelten.
Die Entscheidung des BGH
Der BGH vertrat die Auffassung, dass die Voraussetzungen des § 3a HWG im Streitfall nicht vorliegen. Das Werbeverbot nach § 3a HWG greife nicht ein, wenn das Arzneimittel bereits nicht der Pflicht zur Zulassung unterliege. Nach Meinung des BGH geht es zu weit, das Werbeverbot des § 3a HWG auf alle nicht zugelassenen Arzneimittel und damit auch auf die streitgegenständlichen Defekturarzneimittel auszudehnen. Gegenteiliges ergibt sich nach Auffassung des BGH auch nicht aus der Richtlinie 2001/83/EG (Humanarzneimittelrichtlinie). Der BGH weist darauf hin, dass auch die Richtlinie nicht jegliche Werbung für behördlich nicht zugelassene Arzneimittel verbiete, sondern das Werbeverbot davon abhängig mache, ob das Arzneimittel der in der Richtlinie angeordneten Zulassungspflicht unterliege.
Die in der Apotheke hergestellten Weihrauch-Kapseln unterfallen nach Auffassung des BGH schon nicht dem Anwendungsbereich der Richtlinie, weil sie die Anwendungsvoraussetzungen des Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie nicht erfüllen. Danach gelten die Voraussetzungen der Richtlinie für Humanarzneimittel, „die in den Mitgliedsstaaten in den Verkehr gebracht werden sollen und die entweder gewerblich zubereitet werden oder bei deren Zubereitung ein industrielles Verfahren zur Anwendung kommt.“ Im Streitfall kam der BGH zu dem Ergebnis, dass das Arzneimittel in Deutschland gemäß den für Defekturarzneimittel geltenden Kriterien in einem handwerklichen Verfahren und in einer Menge von höchstens 100 Packungen am Tag zubereitet werde. Dies sei kein industrielles Verfahren im Sinne von Art. 2 Abs. 1 der Humanarzneimittelrichtlinie.
Vorlageverfahren beim EuGH
Der BGH hatte das Verfahren ursprünglich ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage vorgelegt, ob die deutschen Vorschriften, die die Herstellung von Defekturarzneimitteln regeln, mit den Vorschriften in der Humanarzneimittelrichtlinie 2001/83/EG zu vereinbaren sind (BGH, Beschluss vom 16.04.2015, I ZR 130/13 – Weihrauch-Extrakt-Kapseln I). Der EuGH bejahte die Europarechtskonformität der deutschen Regelungen über Defekturarzneimittel (EuGH, Urteil vom 26.10.2016, C‑276/15 – Hecht-Pharma/Hohenzollern Apotheke).
Fazit
Das Werbeverbot des § 3a HWG gilt nur für Arzneimittel, für die eine Zulassungspflicht besteht. Arzneimittel, die – rechtmäßig – auch ohne arzneimittelrechtliche Zulassung vertrieben werden, können grundsätzlich beworben werden. Selbstverständlich müssen die Vorschriften des HWG; etwa die Irreführungsverbote, auch für diese Arzneimittel eingehalten werden.
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