Mit seiner erst in der vergangenen Woche veröffentlichten Entscheidung setzt der Bundesgerichtshof (BGH) seine strenge Linie hinsichtlich Zuweisungen von Patienten beziehungsweise Rezepten fort (BGH, Urteil vom 18.06.2015, I ZR 26/14 >>).
Geklagt hatte ein Apotheker gegen seinen Mitbewerber, der verschreibungspflichtige Arzneimittel zur Behandlung von Hepatitis C direkt in einer Arztpraxis abgab; umgekehrt leitete die Arztpraxis die Rezepte direkt an die Apotheke weiter. Die Patienten, die mit dieser Vorgehensweise einverstanden waren, mussten die Apotheke selbst also gar nicht aufsuchen. Der Beklagte hatte die Absprache mit dem Argument zu rechtfertigen versucht, dass die Arzneimittel zum Zeitpunkt der Ersteinstellung der Hepatitis C – Patienten vollständig, pünktlich und in der richtigen Verabreichungsform vorhanden sein müssten.
Der BGH verwies das Verfahren an das Berufungsgericht zurück, da das in zweiter Instanz ausgesprochene Unterlassungsverbot weiter reichte als der Unterlassungsantrag des Klägers.
In der Sache selbst ist der Standpunkt des BGH aber deutlich: Das Berufungsgericht habe mit Recht angenommen, dass der Beklagte bei der Lieferung der Medikamente auf der Grundlage einer Absprache tätig geworden sei, die die Zuweisung von Kunden mit Verschreibungen durch einen Arzt an eine Apotheke im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 1 Fall 3 Apothekengesetz zum Gegenstand hatte.
§ 11 Apothekengesetz verbietet grundsätzlich unlautere Absprachen zwischen Apothekern und Ärzten, die die Zuweisung von Patienten oder Verschreibungen zum Gegenstand haben. Die Vorschrift stellt eine Marktverhaltensregel dar, so dass Verstöße gegen diese Norm wettbewerbsrechtlich verfolgt werden können. Die Richter wiesen ausdrücklich auf den Zweck der Regelung hin, die sicherstellen solle, dass der Erlaubnisinhaber einer Apotheke sich bei seinem Kontakt zu anderen Gesundheitsberufen wie insbesondere Ärzten, die Einfluss auf sein Entscheidungsverhalten haben, nicht von sachfremden und vor allem nicht von finanziellen Erwägungen leiten lässt.
Nach Auffassung des BGH rechtfertigen auch Applikationsarzneimittel (das sind solche, die in der Arztpraxis am Patienten angewendet werden) keine Ausnahme vom grundsätzlichen Abspracheverbot. Denn es gebe regelmäßig die Möglichkeit, ohne Umgehung des Patienten – etwa durch telefonische Nachfrage – sicherzustellen, dass die für die Behandlung notwendigen Medikamente vollständig in der Arztpraxis zu Verfügung stehen. Der BGH deutet aber an, dass keine unzulässige Absprache vorliegen könnte, wenn die beanstandete Verfahrensweise aus medizinischen Gründen notwendig ist oder aber wenn der Arzt dem Patienten vor der Anwendung des Applikationsarzneimittels verschiedene Beschaffungsmöglichkeiten an die Hand gibt.
In zwei früheren von der Wettbewerbszentrale geführten Verfahren hat sich der Bundesgerichtshof mit der Auslegung des Tatbestandsmerkmals des „hinreichenden Grundes“ für eine Patientenzuweisung (§ 34 Abs. 5 Musterberufsordnung) befasst und entschieden, wann sich die Abgabe von Hilfsmitteln durch den Arzt bzw. seine Mitwirkung hieran als notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie darstellt (BGH, Urteil vom 09.07.2009, Az. I ZR 13/07 – Brillenversorgung I >> und BGH, Urteil vom 24.06.2010, Az. I ZR 182/08 – Brillenversorgung II >>). Eine dritte Entscheidung des BGH zu diesem Themenkreis (BGH, Urteil vom 13.01.2011, Az. I ZR 111/08 – Hörgeräteversorgung II >>) hat wesentlich dazu beigetragen, den Begriff der „Verweisung“ in konkreten Beanstandungsfällen von zulässigen Praktiken klarer abgrenzen zu können. Fortgeführt hat der BGH seine Rechtsprechung in einem weiteren, von der Wettbewerbszentrale geführten Prozess zu einem zwischen Ohrenarzt und Hörgeräteakustiker praktizierten sog. verkürztem Versorgungsweg, BGH, Urteil vom 24.07.2014, I ZR 68/13.
Weiterführende Informationen:
Zur Tätigkeit der Wettbewerbszentrale im Bereich Gesundheit >>
Zur Tätigkeit der Wettbewerbszentrale im Bereich Gesundheitshandwerk >>
ck
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