Verfügt ein Unternehmen, seine Produkte oder Dienstleistungen über herausragende Leistungsmerkmale, ist es legitim, dies in der Werbung herauszustellen. So überzeugend und schlagkräftig Werbung mit Alleinstellungsmerkmalen auch sein mag – es gilt der Grundsatz: Alle Aussagen müssen wahr sein.
Die folgenden drei Beispiele aus der aktuellen Fallpraxis der Wettbewerbszentrale zeigen, dass Werbung mit Alleinstellungsmerkmalen grundsätzlich möglich ist, wenn bestimmte Kriterien beachtet werden.
1. Fall: Die Nr. 1 in Apotheken
Das Landgericht Freiburg hat einen Hersteller von Sonnenschutzprodukten verurteilt, es zu unterlassen, für diese Produkte mit der Aussage zu werben „Nr. 1 in europäischen Apotheken“ (LG Freiburg, Urteil vom 02.05.2016, Az. 12 O 126/15 KfH). An dem blickfangmäßigen Hinweis war ein „Sternchen“ angebracht, das unter dem Fließtext wie folgt erläutert wurde:
„IMS Health Pharma Trend Database – Markt Sonnenpflege (inklusive Sonnenschutz für Babys) kumuliert Absatz und Umsatz 2014 – Frankreich, Italien, Spanien, Deutschland, Belgien, Österreich, Schweiz und Portugal.“
Die Wettbewerbszentrale hatte die Aussage als irreführend beanstandet, weil die Behauptung irreführend und die Auflösung durch den Sternchen-Hinweis nicht ausreichend sei.
Das Landgericht vertrat die Auffassung, dass es nicht auf die Definition des Begriffs „Europa“ ankomme. Es reichte dem Gericht für eine Verurteilung aus, dass sich die Beklagte lediglich auf Umsatzuntersuchungen in einigen wenigen Ländern Europas gestützt hatte, Länder aber wie Großbritannien und Polen nicht dazu gehörten. Die Behauptung der Beklagten, die von ihr genannten Länder seien die acht Hauptabsatzmärkte der Branche und damit fraglos auch repräsentativ für die angrenzenden Länder, bezeichnete das Gericht als „Spekulation“. Es sei Sache der Beklagten, dies zu belegen. Das Urteil ist rechtskräftig geworden, nachdem die Beklagte Ende Januar 2017 kurz vor der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht die Berufung zurücknahm.
2. Fall: Einzigartiges Modell
Eine Krankenkasse hatte in einer Fachzeitschrift eine Anzeige in Form eines fiktiven Interviews geschaltet. Die Krankenkasse ist im Versicherungsvermittlergeschäft aktiv. In dem fiktiven Interview erklärt der Marketingleiter mit Blick auf die Ersparnisse aus dem Bonusprogramm:
„Dem Kunden entstehen ja keine Mehrkosten, wenn er die bis zu 250,00 Euro aus dem Bonusprogramm nimmt und beispielsweise noch eine Zahnzusatzversicherung abschließt. Eine Win-win-Situation, die perfekter nicht sein könnte: Der Vermittler generiert Zusatzgeschäft mit jährlichen Ausschüttungen, der Kunde erhält besseren Schutz fürs gleiche Geld. Dieses Modell mit seiner einfachen Handhabung ist einzigartig am Markt!“
Tatsächlich bieten auch andere Krankenkassen ihren Versicherten jeweils Bonusprogramme mit Prämien unterschiedlicher Höhe und damit zugleich aufgrund von Kooperationen mit Versicherern die Möglichkeit, Bonuszahlungen zur Finanzierung von Zusatzversicherungen einzusetzen.
Die Gegenseite verteidigte sich u. a. damit, dass der Leser den Hinweis auf das „einzigartige Modell“ als reklamehafte Übertreibung, nicht aber als Tatsachenbehauptung, auffasse. Dies überzeugte das Gericht allerdings nicht: Es wies darauf hin, dass durch die recht konkreten Ausführungen in der Anzeige deutlich ausgeführt werde, dass am Markt nur die Beklagte die Kombination von Bonusprogramm mit dem beschriebenen Zusatzgeschäft anbiete.
Das Landgericht Konstanz untersagte der Krankenkasse daher, weiterhin mit dem Hinweis auf das „einzigartige“ Modell zu werben (LG Konstanz, Urteil vom 27.10.2016, Az. 9 O 31/16 KfH).
3. Fall: Die besten Fenster
Das Landgericht Frankfurt hat einem Fensterhersteller untersagt, sich als „Europas größter Hersteller für Fenster“ zu bezeichnen (LG Frankfurt am Main, Urteil vom 01.06.2016, Az. 3-08 O 69/15). Gleichzeitig wurde dem Unternehmen ebenfalls untersagt, mit dem Hinweis „Die besten Fenster“ zu werben.
Die Wettbewerbszentrale hatte die beiden in einer Pressemitteilung des Unternehmens enthaltenen Aussagen als irreführend beanstandet. Den Slogan „Europas größter Fensterhersteller“ beanstandete die Wettbewerbszentrale deswegen, weil tatsächlich andere Unternehmen deutlich höhere Umsätze als die Beklagte erzielen. Der Fensterhersteller verwies demgegenüber auf ein nach seiner Auffassung einzigartiges Produktionsvolumen von 10.000 Fenstern am Tag. Vor dem Hintergrund der konkret vorgetragenen Umsatzzahlen kam das Landgericht zu dem Ergebnis, dass die von der Beklagten behauptete Marktführerschaft und damit ein deutlicher und stetiger Vorsprung vor den Mitbewerbern nicht festgestellt werden konnte. Die Beklagte sei eben nicht der umsatzstärkste Fensterhersteller in Europa und habe ausgehend von den vorgetragenen Zahlen weder die größte Produktionsfläche noch die meisten Mitarbeiter.
Auch hinsichtlich des Slogans „Die besten Fenster“ ging das Gericht von einer Irreführung aus: Schon nach dem eigenen Vortrag der Beklagten seien ihre Fenster im Vergleich zu denen der Konkurrenten qualitativ weder grundlegend besser noch überlegen. Die Aussage sei irreführend, weil der Durchschnittsverbraucher diese Aussage nicht als reklamehafte Übertreibung oder Anpreisung ohne Tatsachengehalt auffasse. Zur Begründung führt das Gericht weiter aus, dass die Verbraucher davon ausgehen, dass Aussagen in einer Pressemeldung richtig und nicht substanzlos seien. Der Verbraucher beziehe die Aussage der Beklagten auch auf konkrete Eigenschaften ihrer Fenster und nehme sie durchaus ernst. Da die Aussage aber nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten so nicht zutreffend sei, sei sie irreführend.
Fazit:
Die drei Entscheidungen zeigen, dass Unternehmer Alleinstellungs- und Spitzenstellungs-behauptungen in ihrer Werbung nur dann aufstellen dürfen, wenn sie auch zutreffend sind und belegt werden können. Die Gerichte gehen weiterhin davon aus, dass derartige Tatsachenbehauptungen von Verbrauchern ernst genommen und nur im Ausnahmefall als reklamehafte Übertreibung angesehen werden.
F 4 0367/15,F 4 0208/16, F 5 0702/14
ck/pbg
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