Home News Werbung für digitalen Arztbesuch – BGH verhandelt am 7. Oktober 2021 im Verfahren der Wettbewerbszentrale

Werbung für digitalen Arztbesuch – BGH verhandelt am 7. Oktober 2021 im Verfahren der Wettbewerbszentrale

In einem von der Wettbewerbszentrale geführten Grundsatzverfahren gegen ein Versicherungsunternehmen wird der Bundesgerichtshof am 7. Oktober 2021 verhandeln

In einem von der Wettbewerbszentrale geführten Grundsatzverfahren gegen ein Versicherungsunternehmen wird der Bundesgerichtshof am 7. Oktober 2021 verhandeln (Az. I ZR 146/20). Die Wettbewerbszentrale will die Frage klären lassen, ob die Bewerbung so genannter Primärversorgungsmodelle zulässig ist. Es geht bei diesen Geschäftsmodellen nicht um die von einem/r niedergelassenen Arzt/Ärztin den eigenen Patienten zur Ergänzung der persönlichen Behandlung angebotene digitale Sprechstunde, sondern um die Behandlung von – dem Arzt im Regelfall unbekannten – Patienten ausschließlich auf digitalem Weg.

„Bleib einfach im Bett, wenn du zum Arzt gehst.“

So hatte der Versicherer auf seiner Internetseite geworben und seinen Kunden den „digitalen Arztbesuch“ über eine App angekündigt. Beworben wurde dabei nicht nur Diagnose und Therapieempfehlung, sondern auch die Krankschreibung per App. Wörtlich hieß es: „Warum du den digitalen Arztbesuch lieben wirst. Erhalte erstmals in Deutschland Diagnosen, Therapieempfehlung und Krankschreibung per App.“ Bei den sogenannten „eedoctors“, die die beworbene Fernbehandlung durchführen sollten, handelte es sich nach Angaben des Unternehmens um erfahrene Ärzte in der Schweiz.

Werbeverbot für Fernbehandlung

Derartige Modelle von Arzt-Patienten-Kontakten unterliegen jedoch hinsichtlich der Bewerbung besonderen rechtlichen Regelungen, denn § 9 Heilmittelwerbegesetz verbietet grundsätzlich die Werbung für Fernbehandlungen. Auf diese Vorschrift berief sich die Wettbewerbszentrale und verlangte Unterlassung der o.g. Werbung.

Ende 2019 wurde die Vorschrift dahingehend ergänzt, dass das Verbot der Werbung für Fernbehandlungen dann nicht gilt, „wenn nach allgemein anerkannten fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen nicht erforderlich ist.“ Was diese allgemein anerkannten Standards sind, ist noch ungeklärt. Hintergrund der Neufassung ist die Lockerung des berufsrechtlichen Fernbehandlungsverbots. Ärzten ist nach ihren Berufsordnungen Fernbehandlung im Ausnahmefall unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt, und sie können „dabei Kommunikationsmedien unterstützend einsetzen“.

Die Vorinstanzen hatten der Klage der Wettbewerbszentrale stattgegeben (LG München, Urteil vom 16.07.2019, Az. 33 O 4026/18 und OLG München, Urteil vom 09.07.2020, Az. 6 U 5180/19). Das OLG hatte die Revision nicht zugelassen. Auf die von der Versicherung eingelegte Beschwerde hin nahm der BGH den Fall zur Entscheidung an.

Die Wettbewerbszentrale will nun klären lassen, ob die Werbung für rein digitale Primärversorgungsmodelle, also solche ohne jeglichen persönlichen Kontakt des Patienten mit dem Arzt, dem Ausnahmetatbestand des § 9 Satz 2 HWG genügt. Wenn die rein digitale Behandlung nach allgemein anerkannten fachlichen Standards zulässig ist, darf dafür auch geworben werden. Entspricht das Modell den fachlichen Standards nicht, wäre auch die Werbung unzulässig. Das OLG München sah die Ersetzung des Arztbesuches durch eine alternative digitale Fernbehandlung für nicht näher konkretisierte Behandlungsfälle und –situationen durch in der Schweiz sitzende Ärzte vom Ausnahmetatbestand nicht gedeckt.

Werbung für digitale Krankschreibung?

Auch um die Frage der Werbung für digitale Krankschreibung wird es in dem Verfahren gehen. Nach § 25 der Musterberufsordnung haben Ärztinnen und Ärzte bei der Ausstellung ärztlicher Gutachten und Zeugnisse mit „der notwendigen Sorgfalt“ zu verfahren. § 4 Absatz 1 der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie sieht vor, dass die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit nur im Rahmen einer unmittelbar persönlichen Untersuchung festgestellt werden darf. Auch der 121. Ärztetag lehnte 2018 die Ausstellung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ab, wenn es im Rahmen einer Fernbehandlung zu keinem persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt kommt (Beschlussprotokoll Seite 298). Das OLG München schloss daraus, dass auch die Werbung für generelle Krankschreibungen per Videokonsultation durch im Ausland ansässige Ärzte nicht den fachlichen Standards entspreche und somit nicht auf § 9 Satz 2 HWG gestützt werden könne.

Weiterführende Informationen

News v. 07.08.2020: Grundsatzverfahren der Wettbewerbszentrale zur Werbung für medizinische Fernbehandlung: OLG München verbietet Werbung für digitalen Arztbesuch und Krankschreibung >>

Zur Tätigkeit der Wettbewerbszentrale im Bereich Gesundheitswesen >>

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