Auf Antrag der Wettbewerbszentrale hat das Landgericht Essen einem Unternehmer untersagt, für Nahrungsergänzungsmittel mit einer Grafik zu werben, die verschiedene Keime in stilisierter Abbildung und zudem eine männliche Person zeigt, die ihre linke Hand in Abwehrhaltung gegen die Keime ausstreckt. Daneben befindet sich der Hinweis „Volle Power für Ihr Immunsystem“ (LG Essen, Urteil vom 20.05.2021, Az. 43 O 55/20, nicht rechtskräftig). Die Wettbewerbszentrale hatte Beschwerden aus der Wirtschaft erhalten, die sich gegen diese Grafik richteten.
Die Beklagte vertreibt über ihre Internetseite Nahrungsergänzungsmittel, die sie mit der nun untersagten Abbildung auf der Startseite bewarb. Die Wettbewerbszentrale hatte argumentiert, der angesprochene Verbraucher müsse die Werbung angesichts der Abwehrhaltung der abgebildeten Person gegen die Keime – die teilweise dem stilisierten Erscheinungsbild des Corona-Virus entsprechen – dahingehend verstehen, dass er sich mit den beworbenen Produkten aktiv vor derartigen Keimen schützen könne. Nach Artikel 7 Absatz 3 der Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV) seien allerdings krankheitsbezogene Aussagen für Lebensmittel unzulässig. Zudem liegt nach Auffassung der Wettbewerbszentrale ein Verstoß gegen die Health Claims Verordnung (HCVO) vor, da es sich um eine gesundheitsbezogene Aussage handele, die nicht zugelassen sei. Die Gegenseite wiederum argumentierte, die Abbildung stelle lediglich eine Art „Wegweiser“ oder „Themenüberschrift“ zu den einzelnen Produkten dar. Außerdem seien die in den Nahrungsergänzungsmitteln enthaltenen Vitamine und sonstigen Inhaltsstoffe geeignet, zu einer normalen Funktion des Immunsystems beizutragen. Die Werbung sei daher auch nach der HCVO gerechtfertigt.
Grafik bezieht sich auf die Abwehr von Krankheitserregern
Das Landgericht Essen folgte der Auffassung der Wettbewerbszentrale, dass die beanstandete Grafik eindeutig einen Zusammenhang zu den konkret beworbenen Produkten herstellt. Die Art der dargestellten Keimabwehr führe beim Betrachter unwillkürlich zur Assoziation eines Schutzes vor den dargestellten Bakterien und Viren bis hin zum Corona-Virus. „Die Darstellung der Keime entspricht dabei nach der Auffassung der Kammer im Kern durchaus der vereinfachten Darstellung eines Virus in den Medien.“, so das Landgericht in den Entscheidungsgründen. Das genüge aber bereits für die Annahme eines Zusammenhangs, der eine Verbesserung des Gesundheitszustandes Dank des Verzehrs der Produkte impliziere.
Das Landgericht Essen sieht in der Werbegrafik einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 3 LMIV, weil sie mit der Überschrift „Volle Power für Ihr Immunsystem“ einen aktiven Schutz der Gesundheit durch den Verzehr der beworbenen Lebensmittel zum Ausdruck bringe. Nach Art. 7 LMIV dürfen allerdings Informationen über ein Lebensmittel diesem keine Eigenschaften der Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit zuschreiben oder den Eindruck dieser Eigenschaften entstehen lassen. Zum anderen entspricht die Werbung nicht den Vorgaben der HCVO. Unstreitig existierten für Vitamine zugelassene Claims zur Aussage, dass die betreffenden Inhaltsstoffe zu einer normalen Funktion des Immunsystems beitragen. Die Grafik suggeriere aber pauschal für die Gesamtheit der Produkte einen Schutz vor Krankheitserregern. Da es sich bei den lebensmittelrechtlichen Vorschriften um so genannte Marktverhaltensregeln handelt, stellen die Verstöße nach Auffassung des Landgerichts zugleich einen Wettbewerbsverstoß nach §§ 3, 3a UWG dar.
Praxistipp: Der Fall zeigt eindringlich, dass es nicht darauf ankommt, was der Werbende beabsichtigt, sondern welchen Eindruck die Werbung bei den angesprochenen Verbraucherkreisen erweckt. Eine – vielleicht außerhalb von Corona-Zeiten unverfängliche – Grafik kann problematisch werden, wenn sie einen Schutz vor Krankheitserregern suggeriert.
Weiterführende Informationen
Zur Tätigkeit der Wettbewerbszentrale im Bereich Lebensmittel >>
Zur Tätigkeit der Wettbewerbszentrale im Bereich Gesundheitswesen >>
F 8 0034/20
ck
Weitere aktuelle Nachrichten
-
OLG Frankfurt a. M. untersagt „Anti-Kater“-Werbung für Mineralstofftabletten
-
Rückblick: Konferenz „Wettbewerb, Nachhaltigkeit & Recht“
-
Rückblick: „Jura in der Praxis“ der Julius-Maximilians-Universität Würzburg
-
Rückblick: Internationaler Kongress der Liga in London
-
Landgericht Mainz zur Assoziation von „After Party Shots“ mit einem Alkoholkater