Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs wird in dem von der Wettbewerbszentrale geführten Musterverfahren am 10.12.2020 mündlich darüber verhandeln, ob Unternehmen von ihren Kunden ein Entgelt für die Zahlung mittels PayPal und Sofortüberweisung erheben dürfen (Az. I ZR 203/19).
Hintergrund
Seit 13.01.2018 sind die neuen Regeln in Kraft, die es Händlern verbieten, für die gängigsten Zahlungsmöglichkeiten zusätzliche Entgelte vom Verbraucher zu verlangen (§ 270a BGB). Die Wettbewerbszentrale hat im Rahmen ihrer Funktion als Selbstkontrollinstitution der Wirtschaft – wie schon im Bereich der SEPA-Diskriminierung – eine Beschwerdestelle eingerichtet, bei der Gewerbetreibende und Verbraucher seit Januar 2018 Fälle mitteilen können, in denen die neuen Regeln nicht umgesetzt wurden.
Das Musterverfahren gegen FlixMobility
Über diese Beschwerdestelle erhielt die Wettbewerbszentrale die Information, dass die Firma FlixMobility GmbH in München im Rahmen der Buchung von Bustickets sowohl für die SEPA-Überweisung mit dem Bezahldienst „Sofortüberweisung“ als auch für die Bezahlung mit PayPal ein Zahlungsentgelt erhob. Zu „Sofortüberweisung“ war die bisher einhellige Auffassung, dass diese Bezahlmöglichkeit unter die gesetzliche Neuregelung fällt, weil es sich um eine einfache SEPA-Überweisung handelt, die im Gesetz ausdrücklich erwähnt wird. Bei Zahlung per PayPal ist dies auf Grund einiger eher unklarer Hinweise in den Beratungen des Gesetzes umstritten.
Das bisherige Verfahren
Das Landgericht München I (LG München I, Urteil vom 13.12.2018, Az. 17 HK O 7439/18) schloss sich der Auffassung der Wettbewerbszentrale zur Unzulässigkeit der erhobenen Zahlungsentgelte an. Sowohl auf die Zahlung per „Sofortüberweisung“ als auch auf eine Zahlung mit PayPal sei die gesetzliche Neureglung des § 270a BGB, der Zahlungsentgelte für die gängigsten Zahlungsmethoden untersagt, anwendbar. Die Vorschrift sei auch eine Marktverhaltensregel, die mit den Mitteln des UWG im Wege der privaten Rechtsdurchsetzung geltend gemacht werden könne.
Das Oberlandesgericht München hat die Klage auf Unterlassung abgewiesen (OLG München, Urteil vom 10.10.2019, Az. 29 U 466/18) und die Auffassung vertreten, dass der deutsche Gesetzgeber diese beiden Zahlungswege in § 270a BGB nicht erfassen wollte. Zudem biete die Zahlung per Sofortüberweisung mit der Bonitätsprüfung Vorteile, die der Verbraucher bezahlen könne und wolle, wenn er diesen Weg wählt. Zudem sei das streitgegenständliche Entgelt keines, das für die Nutzung der in § 270a BGB genannten Zahlungsarten vereinbart worden sei, sondern werde jeweils für die Einschaltung eines Dritten erhoben, der (im Falle von PayPal) im Verhältnis zwischen Schuldner und Gläubiger die Zahlungsabwicklung mittels Übertragung von E-Geld vornehme bzw. (bei der Sofortüberweisung) anstelle des Schuldners den Zahlungsvorgang als solchen einleite.
Das OLG hat daher die Klage der Wettbewerbszentrale abgewiesen. Das Gericht hat die Revision zum BGH zugelassen. Diese hat die Wettbewerbszentrale auch eingelegt, um die grundsätzliche Frage zur Zulässigkeit der erhobenen Entgelte klären zu lassen und Rechtssicherheit für Unternehmen im Hinblick auf diese Frage zu erhalten.
Weiterführende Informationen
Pressemitteilung Nr. 113/2020 des BGH vom 02.09.2020 >>
pbg
Weitere aktuelle Nachrichten
-
OLG Frankfurt a. M. untersagt „Anti-Kater“-Werbung für Mineralstofftabletten
-
Rückblick: Konferenz „Wettbewerb, Nachhaltigkeit & Recht“
-
Rückblick: „Jura in der Praxis“ der Julius-Maximilians-Universität Würzburg
-
Rückblick: Internationaler Kongress der Liga in London
-
Landgericht Mainz zur Assoziation von „After Party Shots“ mit einem Alkoholkater