Der Streit um Boni und Gutscheine, die dem Apothekenkunden beim Kauf rezeptpflichtiger Arzneimittel mitgegeben werden, geht weiter. Wieder einmal wird der BGH das letzte Wort sprechen müssen, da Oberlandesgerichte in zwei von der Wettbewerbszentrale betriebenen Verfahren unterschiedliche Rechtsauffassungen vertreten (OLG Frankfurt, Urteil vom 2.11.2017, Az. 6 U 164/16; KG, Urteil vom 13.03.2018, Az. 5 U 97/15, beide Entscheidungen sind nicht rechtskräftig).
Zum Sachverhalt
Eine Apothekerin aus Hessen händigte ihren Kunden beim Erwerb eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels ungefragt einen Gutschein über „2 Wasserweck oder 1 Ofenkrusti“ aus, der bei einer in der Nähe liegenden Bäckerei eingelöst werden konnte. In dem von dem Berliner Gericht zu beurteilenden Fall erhielten Kunden einen 1€ – Gutschein bei Einlösung eines Rezeptes; der Gutschein konnte beim nächsten Kauf eingelöst werden.
Nach den arzneimittelrechtlichen Vorschriften ist bei der Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ein einheitlicher Abgabepreis zu gewährleisten (§ 78 Absatz 2 Satz 2, Absatz 3 AMG, § 3 Arzneimittelpreisverordnung). Rabatte verbieten sich also aufgrund dieser Vorschrift.
Nach § 7 Absatz 1 Satz 1 Nr.1 HWG sind Zuwendungen oder Werbegaben für Arzneimittel unzulässig, soweit sie entgegen den Preisvorschriften gewährt werden, die auf Grund des Arzneimittelgesetzes gelten.
Preisbindung mit Verfassungsrecht und Warenverkehrsfreiheit vereinbar
In einem sind sich beide Gerichte einig: Die arzneimittelrechtlichen Vorschriften zur Preisbindung verstoßen weder gegen Verfassungsrecht noch sind sie mit der Warenverkehrsfreiheit nach Art.34 AEUV unvereinbar.
Den Vorwurf der „Inländerdiskriminierung“ entkräften beide Senate mit dem Hinweis, dass ein Verstoß gegen Art. 3 GG bei rein inlandsbezogenen Vorgängen nicht angenommen werden kann.
Zudem ist nach Auffassung der Gerichte die Regelung zur Preisbindung nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mit Art.12 GG und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar.
Die Warenverkehrsfreiheit sei nicht tangiert, da es sich um den innerdeutschen Verkauf von Arzneimitteln handele.
Kammergericht verlangt „spürbare“ Beeinträchtigung
Ebenso wie das OLG Frankfurt bejaht das Kammergericht einen Verstoß gegen die arzneimittelrechtlichen Preisvorschriften, da in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BGH ein solcher Verstoß auch dann vorliegt, wenn der Apotheker für das preisgebundene Arzneimittel zwar den korrekten Preis ansetzt, dem Kunden aber gekoppelt mit dem Erwerb des Arzneimittels Vorteile gewährt werden, die den Erwerb für ihn wirtschaftlich günstiger erscheinen lassen.
Das Kammergericht kommt allerdings zu dem Schluss, dass eine lauterkeitsrechtliche Spürbarkeit im Sinne des § 3a UWG gegeben sein müsse. Ein Barrabatt von 1€ stelle aber nur eine geringwertige Kleinigkeit da, die – spürbare – Wertgrenze sei nicht überschritten.
Dem steht nach Auffassung des Kammergerichts die 2013 geänderte Fassung des § 7 Absatz 1 Satz 1 HWG nicht entgegen, nach der Zuwendungen und Werbegaben auch im Umfang geringwertiger Kleinigkeiten nicht entgegen den arzneimittelrechtlichen Preisvorschriften gewährt werden dürfen.
Anders das OLG Frankfurt: Es verweist darauf, dass der Gesetzgeber mit der Änderung des § 7 HWG die Rechtsprechung vereinheitlichen wollte. Ausdrücklich verweisen die Richter auf die Gesetzesbegründung, nach der auch Werbegaben in Form von geringwertigen Kleinigkeiten unzulässig sein sollten.
Die Beklagte hat gegen das Urteil des OLG Frankfurt Revision eingelegt (Aktenzeichen beim BGH I ZR 206/17).
Die Wettbewerbszentrale wird gegen die Entscheidung des Kammergerichts Revision einlegen.
ck
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