Home News BGH: Zur Vereinbarkeit der arzneimittelrechtlichen Preisvorschriften mit dem primären Unionsrecht

BGH: Zur Vereinbarkeit der arzneimittelrechtlichen Preisvorschriften mit dem primären Unionsrecht

Nach der Grundsatzentscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom Oktober 2016 zur Geltung der deutschen Arzneimittelpreisbindung für niederländische Apotheken (Urteil vom 19.10.2016, Rs. C-148/15) hat sich nun erstmals der BGH zur Vereinbarkeit des deutschen Arzneimittelpreisrechts mit Europarecht geäußert. Das Urteil stammt bereits vom 24. November 2016, die Urteilsgründe wurden aber erst jetzt veröffentlicht. In dem Verfahren zwischen einer Apothekerkammer und einer in den Niederlanden ansässigen Apotheke, die Kunden in Deutschland beliefert, ging es um verschiedene Marketingmaßnahmen dieser Apotheke.

Nach der Grundsatzentscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom Oktober 2016 zur Geltung der deutschen Arzneimittelpreisbindung für niederländische Apotheken (Urteil vom 19.10.2016, Rs. C-148/15) hat sich nun erstmals der BGH zur Vereinbarkeit des deutschen Arzneimittelpreisrechts mit Europarecht geäußert. Das Urteil stammt bereits vom 24. November 2016, die Urteilsgründe wurden aber erst jetzt veröffentlicht. In dem Verfahren zwischen einer Apothekerkammer und einer in den Niederlanden ansässigen Apotheke, die Kunden in Deutschland beliefert, ging es um verschiedene Marketingmaßnahmen dieser Apotheke.

Zum Sachverhalt:

Die Apotheke hatte Kunden für die Mitwirkung bei einem Arzneimittel-Check bei der Einlösung von Rezepten Prämien in Höhe von 2,50 Euro bis zu 20,00 Euro angekündigt. Die Klägerin hatte dies als Verstoß gegen das Arzneimittelpreisrecht beanstandet, das für verschreibungspflichtige und zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegebene Arzneimittel einheitliche Abgabepreise der Apotheken vorsieht. Das Berufungsgericht hatte den Rechtsstreit hinsichtlich dieses Klageantrags ausgesetzt.

Darüber hinaus ging es um eine Werbeaktion unter dem Titel „Freunde werben Freunde“. Sie sah vor, dass der Kunde eine 10,00 Euro-Sofort-Prämie erhielt, wenn er einen Freund als Kunden warb, der ein Rezept einreichte oder rezeptfreie Produkte im Gesamtwert von mindestens 25,00 Euro bestellte. Darüber hinaus versprach die Apotheke dem Kunden für den Fall der Werbung eines zweiten Freundes zusätzlich zu der Prämie von 10,00 Euro einen Rabatt von 10% auf jeden Einkauf rezeptfreier Medikamente, Gesundheits- und Pflegeprodukte. Auch hierin sah die Klägerin einen Verstoß gegen das Arzneimittelpreisrecht, gegen das Heilmittelwerberecht und damit auch gegen das Wettbewerbsrecht. Das Oberlandesgericht hatte in zweiter Instanz den Unterlassungsanspruch der Apothekerkammer wegen der Werbung mit der 10,00 Euro-Prämie bejaht, die Klage wegen der Werbung mit den 10%-Rabatt dagegen abgewiesen. Es begründete dies damit, dass die Arzneimittelpreisvorschriften für rezeptfreie Medikamente keine Preisbindung versehen.

Die Entscheidung des BGH

Der BGH hob das angefochtene Urteil wegen eines Verfahrensfehlers auf und wies es zurück an das Berufungsgericht. Dieses hatte über die beim BGH anhängigen Klageanträge durch Teilurteil entschieden, einen anderen Teil des Rechtsstreits hingegen ausgesetzt. Bei allen Klageanträgen kam es allerdings entscheidungsrelevant auf die Frage an, ob die deutschen Regelungen des Arzneimittelpreisrechts mit dem Unionsrecht vereinbar sind, soweit sie Apotheken betreffen, die aus dem Ausland Kunden in Deutschland beliefern. Der BGH wies darauf hin, dass ein Teilurteil nur ergehen dürfe, wenn der weitere Verlauf des Prozesses die zu treffende Entscheidung unter keinen Umständen mehr berühren könne. Das sei hier aber nicht der Fall gewesen, so dass das angefochtene Urteil keinen Bestand haben könne und es bereits wegen des Verfahrensfehlers aufzuheben sei.

Hinweise des BGH für das Berufungsverfahren

Allerdings beließ es der BGH nicht bei der Aufhebung, sondern erteilte Hinweise für das Berufungsverfahren:

Der BGH teilt ausdrücklich die Auffassung der Berufungsinstanz, dass es sich bei der Gewährung einer Werbeprämie um eine produktbezogene und damit dem Heilmittelwerbegesetz unterfallende Werbemaßnahme handele. Es teilt ebenso die Auffassung des Oberlandesgerichts, dass die Beklagte gegen die Preisvorschriften verstoßen habe. Dabei ist es nach Auffassung des BGH unerheblich, dass der Neukunde den korrekten Preis für das Arzneimittel entrichtet und der Werbende die Prämie erhält. Denn – so der BGH – dies lasse den Erwerb verschreibungspflichtiger Arzneimittel für ihn wirtschaftlich günstiger erscheinen als in einer anderen Apotheke, die keine entsprechende Werbeprämie gewähre.

Auch der von der Beklagten beworbene zusätzliche Rabatt von 10% auf rezeptfreie Produkte bei der Werbung eines zweiten Neukunden ist nach Auffassung des BGH heilmittelwerberechtlich unzulässig. Denn sowohl die Gewährung einer Werbeprämie von 10,00 Euro für die Werbung eines ersten Freundes als auch der versprochene zusätzliche Rabatt von 10% auf rezeptfreie Produkte sei davon abhängig, dass der Neukunde ein Rezept einreicht oder rezeptfreie Produkte im Gesamtwert von mindestens 25,00 Euro bestellt.

Sodann verweist der BGH allerdings auf das Urteil des EuGH vom 19.10.2016, mit dem dieser entschieden hat, dass sich die im deutschen Recht vorgesehene Festlegung einheitlicher Abgabepreise als Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung im Sinne von Art. 34 AEUV darstelle und diese auch nicht mit dem Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen im Sinne von Art. 36 AEUV gerechtfertigt werden könne. Diese Entscheidung sei auch von den Behörden des betreffenden Mitgliedstaates – also Deutschland – zu beachten. Der Senat zieht daraus den Schluss:

„Hiervon ausgehend kann die Klägerin mit ihrer Klage nur Erfolg haben, wenn sich im vorliegenden Verfahren Gesichtspunkte ergeben, die ein erneutes Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union nahelegen. Ob Veranlassung besteht, im vorliegenden Rechtsstreit ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union zu richten, steht noch nicht fest. Dazu bedarf es weiterer Feststellungen.“

Der BGH setzt sich ausführlich mit der Entscheidung des EuGH auseinander und kommt zu dem Schluss, dass sie maßgeblich auf ungenügenden Feststellungen in jenem Verfahren zur Geeignetheit der deutschen Regelung der arzneimittelrechtlichen Preisbindung für eine flächendeckende und gleichmäßige Arzneimittelversorgung beruht habe. Der BGH betont, dass diese Feststellungen nachgeholt werden können. Die Parteien müssten daher im vorliegenden Verfahren Gelegenheit erhalten, zur Geeignetheit der deutschen Arzneimittelpreisregelungen weiter vorzutragen. Er verweist darauf, dass in diesem Rahmen sogar eine amtliche Auskunft staatlicher Stellen, insbesondere der Bundesregierung, in Betracht kommt.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.11.2016, Az. I ZR 163/15 – Freunde werben Freunde

Weiterführende Informationen

Urteil des BGH vom 24.11.2016, Az. I ZR 163/15 – Freunde werben Freunde aus der Rechtsprechungsdatenbank des Bundesgerichtshofs

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