In dem Verfahren um die Abgabe eines Gratis-Brillenglases durch einen Augenoptiker hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss 23.06.2016 (Az. I ZR 203/15) die Nichtzulassungsbeschwerde der Wettbewerbszentrale zurückgewiesen.
Seit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) zur kostenlosen Zweitbrille steht fest, dass Erst- und Zweitbrille, die unabhängig voneinander genutzt werden können, keine funktionale Einheit bilden und dass in der kostenlos abgegebenen Zweitbrille deshalb eine Werbegabe im Sinne des § 7 Abs. 1 Heilmittelwerbegesetz (HWG) zu sehen ist (BGH, Urteil vom 06.11.2014, Az. I ZR 26/13 – kostenlose Zweitbrille). Nicht geklärt war bisher, ob Optiker mit geschenkten Brillenbestandteilen – etwa einem „Gratis-Glas“ oder einer „geschenkten“ Fassung – werben dürfen.
In einem von der Wettbewerbszentrale zwecks Klärung dieser Frage geführten Verfahren hatte das Oberlandesgericht (OLG) Hamm im vergangenen Jahr das Gratis-Glas-Angebot eines Optikers als zulässig bewertet (OLG Hamm, Urteil vom 06.08.2015, Az. I-4 U 137/14). In seinem Urteil hatte der Senat festgestellt, dass die komplette Brille eine funktionale Einheit bilde und in dem einzelnen Gratis-Glas deshalb keine Zuwendung im Sinne von § 7 Abs. 1 HWG gesehen werden könne. Vielmehr wisse der Kunde, dass die komplette Brille zu bezahlen und der „geschenkte“ Brillenbestandteil deshalb nichts anderes als ein zulässiger Preisnachlass sei (§ 7 Abs. 1 S.1 Nr. 2a HWG). Mit diesem Argument hatten die Hammer Richter auch die Anwendung der Nr. 21 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG verneint. Diese Vorschrift verbietet die Bewerbung einer Ware oder Dienstleistung als „gratis“, „kostenlos“ oder dergleichen, wenn dafür gleichwohl Kosten zu tragen sind.
Gegen das Urteil des OLG Hamm hatte die Wettbewerbszentrale Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH eingelegt. Denn die Vereinbarkeit der beanstandeten Werbung insbesondere mit dem Blacklist-Tatbestand der Nr. 21 erschien fraglich. Der BGH hat die Nichtzulassungsbeschwerde nun mit Beschluss vom 23.06.2016 (Az. I ZR 203/15) ohne detaillierte Begründung zurückgewiesen. Die Entscheidung des OLG Hamm wird damit rechtskräftig werden.
Der Spielraum für die Verwendung von Wörtern wie „gratis“, „umsonst“ oder „kostenlos“ im Rahmen von Angeboten kompletter Brillen dürfte sich damit vergrößert haben. Zumindest kann ein Verstoß gegen § 7 Abs. 1 HWG oder die Nr. 21 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG wohl nicht mehr allein mit der Verwendung dieser Begriffe begründet werden. Vorsicht ist mit Blick auf die Entscheidung des BGH zur kostenlosen Zweitbrille aber weiterhin dann geboten, wenn Sachzuwendungen zusätzlich zu einer kompletten Brille – z.B. in Form einer zweiten Brille – ausgelobt werden.
Weiterführende Informationen
Jahresbericht 2015 der Wettbewerbszentrale >>
(HH 3 0003/14)
si
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