In gleich zwei Fällen wird sich der Bundesgerichtshof im Mai 2016 mit der Frage befassen, ob der Widerruf eines Verbraucherdarlehensvertrages im Hinblick auf den Einwand des Rechtsmissbrauches unzulässig ist (BGH, Az. XI ZR 366/15, Verhandlungstermin am 24. Mai, und BGH, Az. XI ZR 511/15, Verhandlungstermin am 31. Mai 2016).
In beiden vom BGH zu entscheidenden Fällen geht es um die Frage, ob Verbraucher auch Jahre nach Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrages und vollständiger oder teilweiser Rückzahlung den Widerruf des Vertrages mit der Folge erklären können, dass dieser rückabzuwickeln ist.
In einem Fall hatte die Beklagte im Rahmen der Widerrufsbelehrung die Bezugnahme auf ein verbundenes Geschäft entgegen dem gesetzlichen Muster nicht aufgeführt. Im anderen Fall hatte die Beklagte im Rahmen der Widerrufsbelehrung unzutreffend über das Anlaufen der Widerrufsfrist informiert mit der Folge, dass die Widerrufsbelehrung nicht korrekt erfolgt ist. In beiden Fällen wenden die Beklagten Rechtsmissbrauch ein sowohl im Hinblick darauf, dass sich die Fehler in der Widerrufsbelehrung im konkreten Fall nicht ausgewirkt haben. Zum anderen wird aber argumentiert, dass im Hinblick auf den Zeitablauf und die teilweise Erfüllung der Verträge die Berufung auf formale Fehler in der Widerrufsbelehrung rechtsmissbräuchlich sei. In beiden Fällen haben die Oberlandesgerichte in ihren Entscheidungen weder den Einwand des Rechtsmissbrauchs noch den Einwand der Verwirkung gelten lassen und dem Verbraucher das Recht eingeräumt, den Widerruf zu erklären und durchzuführen.
Der Gesetzgeber hat sich des Problems des unbefristeten Widerrufs von Immobiliendarlehen insoweit angenommen, als er im Rahmen des am 21. März 2016 in Kraft getretenen Gesetzes zur Umsetzung der europäischen Wohnimmobilienkreditrichtlinie nunmehr vorsieht, dass auch bei fehlerhafter Widerrufsbelehrung das Widerrufsrecht des Verbrauchers spätestens nach einem Jahr und 14 Tagen nach Abschluss des Darlehensvertrages erlischt. Diese Regelung betrifft nicht nur künftige Verträge, sondern auch alle Altverträge mit der Folge, dass unter Berufung auf Fehler in der Widerrufsbelehrung ein Widerruf nur noch bis zum 21. Juni 2016 möglich ist.
Was den Einwand des Rechtsmissbrauches und der Wirkung im Hinblick auf den Widerruf eines Verbrauchers angeht, hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 16.03.2016 (Az. VIII ZR 146/15) insoweit Stellung genommen, dass nach seiner Auffassung für die Wirksamkeit des Widerrufs eines im Internet geschlossenen Kaufvertrages allein maßgeblich ist, dass der Widerruf fristgerecht erklärt wird. Es sei deshalb auch grundsätzlich ohne Belang, aus welchen Gründen der Verbraucher von seinem Widerrufsrecht Gebrauch mache. Allerdings hat der BGH auch festgestellt, dass in Ausnahmefällen – etwa wenn der Unternehmer besonders schutzwürdig sei – ein Ausschluss des Widerrufsrechts wegen eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens in Betracht kommt. Es bleibt nun abzuwarten, ob der Bundesgerichtshof im Bereich des Widerrufs von Darlehensverträgen die betroffenen Banken und Finanzdienstleister als insoweit schutzwürdig ansieht. Allerdings hat er im Fall des von ihm bereits entschiedenen Widerrufs des Kaufs zweier Matratzen weiter ausgeführt, dass der Verbraucher grundsätzlich das ihm einschränkungslos gewährte Widerrufsrecht auch zu seinem Vorteil nutzen dürfe.
Weiterführende Informationen
News der Wettbewerbszentrale BGH zum Widerrufsrecht im Fernabsatz >>
Pressemitteilung Nr. 072/20126 des Bundesgerichtshofs zum Verhandlungstermin am 31. Mai 2016 >>
Pressemitteilung NR: 073/2016 des Bundesgerichtshofs zum Verhandlungstermin am 24. Mai 2016 >>
pbg
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