Das OLG Koblenz hat mit Urteil vom 02.12.2015 (Az. 9 U 616/15) die Auffassung der Wettbewerbszentrale bestätigt, dass die Werbung mit gesundheitsbezogenen Angaben für Mineralwasser den Anforderungen der Health Claims Verordnung genügen muss. Die Revision wurde nicht zugelassen. Es ist aber zu erwarten, dass das Mineralwasserunternehmen Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH einlegen wird. Die Wettbewerbszentrale will mit dem Verfahren für die gesamte Mineralwasserbranche klären lassen, welche Anforderungen an gesundheitsbezogene Angaben für Mineralwasser zu stellen sind, insbesondere, ob für die Verwendung derartiger Angaben die Mindestanforderungen des Anhangs der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 (Health Claims Verordnung) einzuhalten sind.
Gegenstand des Verfahrens sind Aussagen zu Calcium und Magnesium, die ein Mineralwasserunternehmen in einem Mineralienrechner, aber auch auf der eigenen Homepage verwendet. In dem Mineralienrechner können unterschiedlichste Mineralwässer mit den Wässern der Beklagten im Hinblick auf den Mineraliengehalt verglichen werden. Für Calcium und Magnesium werden u.a. die Aussagen
„Ob für gesunde Knochen, Zähne oder Muskeln – Calcium ist ein echter Allrounder im Körper“
und „Magnesium unterstützt unter anderem den Energiestoffwechsel und die Muskelfunktionen – wertvoll vor allem für sportlich aktive Menschen“
verwendet.
Die Wettbewerbszentrale hatte die Aussagen wegen Verstoßes gegen Art. 10 Abs. 1 Health Claims Verordnung beanstandet, weil die nach dem Anhang der Verordnung vorgesehenen Mindestmengen für eine „Calciumquelle“ bzw. „Magnesiumquelle“ nicht eingehalten wurden. Wann eine solche „Quelle“ vorliegt, regelt wiederum Anhang XIII der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 (Lebensmittelinformationsverordnung, abgekürzt: LMIV). Hiernach ist bei Getränken in der Regel 7,5 % der Nährstoffbezugswerte je 100 ml zu berücksichtigen. Um für Calcium und Magnesium mit gesundheitsbezogenen Angaben werben zu dürften, bedarf es demnach 60 mg Calcium und 28,13 mg Magnesium. Die Mineralwässer der Beklagten haben diese Werte deutlich unterschritten.
Das OLG Koblenz hat sich nun der Auffassung der Wettbewerbszentrale angeschlossen und ausgeführt, dass für Mineralwasser keine Ausnahme von der Regel vorgesehen sei und daher die von der Health Claims Verordnung gestellten Anforderungen an eine „Calcium- bzw. Magnesiumquelle“ zu erfüllen seien. Die geforderten Werte würden bei den beworbenen Mineralwässern nicht eingehalten, sodass ein Verstoß gegen die Health Claims Verordnung vorliege. Der Anwendbarkeit der Health Claims Verordnung stünden auch weder die Regelungen in der Mineralwasserrichtlinie noch der Mineral- und Tafelwasserverordnung entgegen. Bezüglich Calcium und Magnesium sei dort geregelt, wann ein Mineralwasser als „calciumhaltig“ und „magnesiumhaltig“ bezeichnet werden dürfe. Die Regelungen treffen keine Regelung zur Frage der Zulässigkeit von gesundheitsbezogenen Angaben, sodass die Health Claims Verordnung durch die speziellen Regelungen zu Mineralwasser nicht verdrängt würde. Die Formulierung „in der Regel“ in Anlage XIII der LMIV rechtfertige es nicht, bei Mineralwasser von der bei Getränken maßgeblichen signifikanten Menge von 7,5 % der Nährstoffbezugswerte je 100 ml abzuweichen. Das Gericht führte dazu aus, dass „in der Regel“ dahingehend verstanden werden könne, dass damit Schwankungsbreiten berücksichtigt werden sollen, etwa bei Naturprodukten. Ein solcher Fall läge nicht vor. Des Weiteren könne „in der Regel“ dahingehend verstanden werden, dass damit weitergehende Ausnahmen möglich sein sollten. Bei einem derartigen Verständnis könne jedoch für Mineralwasser keine begründete Ausnahme von Regel hergeleitet werden. Der Gesetzgeber habe bei der Neuregelung der LMIV die Besonderheiten in Bezug auf Getränke gesehen und diesem dadurch Rechnung getragen, indem die erforderliche signifikante Menge gegenüber der Regelung in der Nährwertkennzeichnungsrichtlinie halbiert worden sei. Eine weitere Privilegierung für Mineralwasser sei gerade nicht vorgenommen worden.
Die Vorinstanz, das LG Trier, hatte noch entschieden, dass es sich bei den Aussagen zu Calcium und Magnesium nicht um gesundheitsbezogene Angaben handelt, weil ihnen durch die Darstellung im Mineralienrechner der Produktbezug fehle (LG Trier, Urteil vom 19.5.2015, Az. 4 O 273/14).
Die Wettbewerbszentrale rät Unternehmen aufgrund des Urteils von der Verwendung von gesundheitsbezogenen Angaben bei Mineralwasser Abstand zu nehmen, wenn nicht die Mindestanforderungen des Anhangs der Health Claims Verordnung eingehalten werden.
F 4 0025/14
Weiterführende Informationen:
Zur Tätigkeit der Wettbewerbszentrale im Bereich Lebensmittel >>
Zur Tätigkeit der Wettbewerbszentrale im Bereich Getränke >>
Jahresbericht 2014 der Wettbewerbszentrale >>
Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 (Health Claims Verordnung) >>
Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 (Lebensmittelinformationsverordnung) >>
MTVO (Mineral- und Tafelwasserverordnung) >>
Mineralwasserrichtlinie (2009/54/EG) >>
ad
Weitere aktuelle Nachrichten
-
OLG Frankfurt a. M. untersagt „Anti-Kater“-Werbung für Mineralstofftabletten
-
Rückblick: Konferenz „Wettbewerb, Nachhaltigkeit & Recht“
-
Rückblick: „Jura in der Praxis“ der Julius-Maximilians-Universität Würzburg
-
Rückblick: Internationaler Kongress der Liga in London
-
Landgericht Mainz zur Assoziation von „After Party Shots“ mit einem Alkoholkater