In dem Verfahren vor dem Oberlandesgericht Hamm um die Abgabe eines Gratis-Brillenglases durch einen Augenoptiker hat der Senat am 06.08.2015 im Anschluss an die mündliche Verhandlung sein Urteil verkündet (OLG Hamm, Urteil vom 06.08.2015, Az. I-4 U 137/14 – nicht rechtskräftig): Das OLG Hamm hält – anders als erstinstanzlich das LG Dortmund – die Werbung des Optikers mit „1 Glas geschenkt!“ bzw. dem „Gratis-Glas“ für zulässig und hat deshalb die Klage der Wettbewerbszentrale unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung zurückgewiesen (1. Instanz: LG Dortmund, Urteil vom 26.08.2014, Az. 25 O 104/14 – nicht rechtskräftig). Die Wettbewerbszentrale hält eine Klärung durch den Bundesgerichtshof für erforderlich und hat nun Rechtsmittel eingelegt.
Der OLG-Senat hat einen Verstoß gegen das Zuwendungsverbot des § 7 Abs. 1 Heilmittelwerbegesetz (HWG) mit der Begründung verneint, dass es sich bei der Brille inklusive „geschenktem“ Glas um ein einheitliches Angebot handle, das komplett zu bezahlen sei. Allein die Angaben „gratis“ und „geschenkt“ reichten – so das OLG – im konkreten Fall nicht aus, den Eindruck einer unentgeltlichen Zuwendung zu vermitteln.
Weiterhin hat das OLG aber auch den Tatbestand der Nr. 21 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG für nicht anwendbar erachtet. Diese Norm verbietet die Bewerbung einer Ware oder Dienstleistung als „gratis“, „umsonst“, „kostenfrei“ oder dergleichen, wenn hierfür gleichwohl Kosten zu tragen sind. Nach Auffassung des OLG Hamm klärt die streitgegenständliche Werbung den Verbraucher hinreichend darüber auf, dass die komplette Brille als Hauptleistung kostenpflichtig sei.
Das LG Dortmund hatte in erster Instanz noch angenommen, dass für den Verbraucher nicht ersichtlich sei, dass er auch das Gratis-Glas zur Hälfte bezahlen müsse. Es hielt dies für nicht vereinbar mit dem Blacklist-Tatbestand der Nr. 21 (LG Dortmund, Urteil vom 26.08.2014, Az. 25 O 104/14 – nicht rechtskräftig; siehe hierzu News der Wettbewerbszentrale vom 15.09.2014 // LG Dortmund sieht in Gratis-Brillenglas einen Verstoß gegen Blacklist-Tatbestand >>).
Das OLG Hamm hat die Revision zum Bundesgerichtshof nicht zugelassen. Die Wettbewerbszentrale hat sich daher entschieden, Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof (Az. I ZR 203/15) einzulegen. Ziel ist es, nach den beiden gegensätzlichen Entscheidungen der Vorinstanzen Klarheit zu schaffen – insbesondere im Hinblick auf die Reichweite und Auslegung der Nr. 21 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG. Denn es muss für die Branche der Augenoptik, aber auch für sämtliche andere Branchen, klar sein, ob und wenn ja unter welchen Voraussetzungen Warenbestandteile als „gratis“ bzw. „geschenkt“ beworben werden dürfen, wenn der Kunde diese tatsächlich mit bezahlt.
Weiterführende Informationen:
Überblick über die Tätigkeit der Wettbewerbszentrale im Bereich Gesundheitshandwerk >>
Jahresbericht 2014 der Wettbewerbszentrale >>
(HH 3 0003/14)
si
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