Auffälligkeit und Sichtbarkeit von Hörgeräten spielen für Personen mit eingeschränktem Hörvermögen als Grundlage für Kaufentscheidungen eine ganz erhebliche Rolle. Schließlich geht es darum, einer etwaigen Stigmatisierung als Schwerhöriger zu entgehen. Gerade deswegen wird in der Hörgeräteakustik gelegentlich der Versuch unternommen, Hörgeräte mit entsprechenden Prädikaten zu bewerben, so auch ein im Nordhessischen beheimatetes Hörgeräteakustikunternehmen, welches ein von ihm angebotenes Gerät in der Werbung als „Das unsichtbare Hörsystem“ anpries. Da dieses Hörgerät mit einer sog. Rückholvorrichtung versehen war, mit der ein einmal in den Gehörgang eingeführtes Hörgerät vom Benutzer mühelos wieder herausgenommen werden kann, ist es bauformbedingt nicht möglich, solche Hörsysteme tatsächlich unsichtbar zu gestalten. Daher beanstandete die Wettbewerbszentrale die entsprechende Werbung des Hörgeräteakustikers als Irreführung über wesentliche Merkmale der angebotenen Leistung. Die Wettbewerbszentrale sah sich veranlasst, insoweit auch gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, nachdem die Abgabe einer hinreichenden Unterlassungsverpflichtungserklärung verweigert wurde. Dieser Rechtsstreit wurde nunmehr vom Landgericht Marburg durch Urteil vom 08.08.2013 zum Az. 4 O 7/13 dergestalt entschieden, dass dem Hörgeräteakustikunternehmen unter Androhung der üblichen Ordnungsmittel untersagt wurde,
„…für digitale Hörsysteme mit Rückholvorrichtung in Form einer
Silikonhülle hinsichtlich deren angeblichen Unsichtbarkeit zu werben
und/oder werben zu lassen…“.
In den Entscheidungsgründen betonte auch das Landgericht, dass nicht nur das Schlagwort „Das unsichtbare Hörsystem“, sondern vielmehr auch eine in der Werbung enthaltene bildliche Darstellung und weitere wörtliche Umschreibungen gegenüber dem Verbraucher den Eindruck vermittle, dass eben das Hörgerät nicht sichtbar sei. Es sei jedoch unzutreffend, dass dieses Gerät im Ohr eines Menschen vollständig unsichtbar ist. Insoweit ist zu begrüßen, dass das Gericht nicht dem von der Beklagtenseite erhobenen Einwand folgte, wonach ihre Werbung als „Interpretation von Unsichtbarkeit“ zu verstehen sei. Zutreffend wies das Landgericht darauf hin, dass es dann eines interpretationsfähigen Zusatzes wie „fast“, „nahezu“ oder „praktisch“ bedürfe.
Man mag dies auch als gerichtlichen Hinweis darauf verstehen, wie in der Praxis die in der Tat ausgesprochen unauffällig im Gehörgang zu tragenden Hörsysteme zulässigerweise durchaus publikumswirksam beworben werden dürften. Es entspricht auch ständiger Praxis der Wettbewerbszentrale, dementsprechend relativierte Hörgerätewerbung nicht anzugreifen.
Die Beklagte hat mittlerweile Berufung zum Oberlandesgericht Frankfurt/M. eingelegt. Die Wettbewerbszentrale wird indes die Werbung für im Ohr zu tragende, mit einer Rückholvorrichtung versehene Hörsysteme auch weiterhin als irreführend und unlauter beanstanden.
HH 1 0686/12
pb
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