In einem von der Wettbewerbszentrale geführten Rechtsstreit hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass eine ausländische Versandapotheke wesentliche pharmazeutische Tätigkeit nicht in Deutschland erbringen darf, wenn sie über keine deutsche Apothekenbetriebserlaubnis verfügt (BGH, Urteil vom 19.07.2012, Az. I ZR 40/11). Zu diesen Tätigkeiten zählt der BGH nach den erst jetzt vorliegenden Urteilsgründen die Beratung von Kunden über eine deutsche Drittfirma. Keine Bedenken äußert der BGH allerdings, wenn ein Unternehmen über eine Niederlassung in Deutschland Marketingstrategien entwickelt oder überwacht oder mit deutsche Lieferanten, Dienstleistern, Krankenkassen und Logistikunternehmen Verhandlungen führt und Verträge schließt. Allerdings hat der BGH die Bestimmtheit der Klageanträge in diesem Punkt gerügt, weil nicht klar werde, welche Tätigkeiten der Beklagten im Einzelnen ohne entsprechende Betriebserlaubnis verboten werden sollen. In diesem Punkt ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz, das Oberlandesgericht Stuttgart, zurückverwiesen worden.
Im Übrigen hat der BGH die Rechtsposition der Wettbewerbszentrale bestätigt. Sie hatte unter anderem beanstandet, dass dem deutschen Verbraucher zur pharmazeutischen Beratung eine Telefonhotline zur Verfügung stand, deren Benutzung ihn 14 Cent pro Minute kostete. Die Richter weisen in den Entscheidungsgründen auf den hohen Stellenwert der Informations- und Beratungsrechte des Kunden auch beim Versandhandel hin und ziehen daraus den Schluss, dass keine nach dem Gesetz unzulässigen Hürden für die Inanspruchnahme dieser Informations- und Beratungsdienstleistungen errichtet werden dürfen. Eine solche Hürde liegt nach Auffassung des BGH dann vor, wenn dem Kunden, der eine pharmazeutische Beratung in Anspruch nehmen will, Kosten entstehen, die über die im Festnetz gemeinhin entstehenden Kosten hinausgehen.
Unzulässig ist darüber hinaus eine Gerichtsstandklausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, nach der für alle im Zusammenhang mit der Geschäftsbeziehung entstehenden Meinungserschiedenheiten und Rechtsstreitigkeiten niederländisches Recht gilt. Eine solche Klausel stelle eine unangemessene Benachteiligung der Kunden dar, da ihnen ein falsches Bild von den ihnen zustehenden Rechtsschutzmöglichkeiten vermittelt wird.
Und schließlich bestätigte der BGH die Vorinstanz auch darin, dass bereits in der Werbung deutlich gemacht werden müsse, dass der Verbraucher eine vertragliche Beziehung mit einer niederländischen Versandapotheke eingehe. Die von der Wettbewerbszentrale gerügte Täuschung sei „auch wettbewerbsrechtlich relevant, weil zahlreiche in Deutschland wohnhafte Verbraucher besonderen Wert darauf legten, Medikamente bei einer in Deutschland ansässigen Apotheke zu bestellen.“
F 40380/08
ck
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Urteil des Bundesgerichtshofs vom 19.07.2012, Az. I ZR 40/11 >>
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