An die Zentrale waren verschiedene Beschwerden über ein Unternehmen herangetragen worden, das für den Abschluss von Werbeverträgen wirbt. Dabei sollten die Unternehmen, bei denen es sich schwerpunktmäßig um Handwerksunternehmen sowie kleine Händler handelte, Werbeflächen an Einkaufswagen anmieten, um so auf ihr Geschäft aufmerksam zu machen. Die Werbeverträge wurden im Rahmen von sogenannten „Haustürgeschäften“ abgeschlossen. Mitarbeiter der beklagten Werbeagentur suchten während der üblichen Geschäftszeiten die Betreiber von kleinen Friseurgeschäften, Blumenläden und ähnlichem auf und besprachen die Werbeverträge während die Gewerbetreibenden Kunden bedienten. Dabei wurden den Unternehmern nicht die Gesamtbeträge genannt, die für die Gesamtlaufzeit der jeweiligen Verträge beansprucht wurden. Sowohl im Gespräch als auch auf den Formularen wurde nur ein Betrag aufgeführt, und zwar der Betrag, der im Endeffekt pro Monat zu entrichten war. Aufgrund der vereinbarten Vertragslaufzeiten von bis zu 72 Monaten, versandte die Werbeagentur an die Unternehmen Rechnungen von über 25.000.- €. Die Verträge wären von den Handwerksunternehmen und Kleingewerbetreibenden nicht abgeschlossen worden, wenn von den Vertretern der Beklagten bereits in den Gesprächen der Gesamtpreis genannt worden wäre oder auf den Aufträgen der Gesamtpreis aufgeführt worden wäre.
Dieses Vorgehen der Werbeagentur hatte die Wettbewerbszentrale als irreführend und wettbewerbswidrig beanstandet.
Das Landgericht Ulm hat mit Urteil vom 03.04.2012 – 1 0 O 43/12 KfH (nicht rechtskräftig) dem Unternehmen verboten, den Abschluss von entgeltlichen Werbeverträgen mit mehrmonatiger Laufzeit anzubieten, ohne dabei in klarer und verständlicher Form den Gesamtpreis für die Laufzeit des Vertrags anzugeben.
Das Gericht hat seine Entscheidung antragsgemäß auf die Dienstleistungsrichtlinie gestützt, die auch sogenannte B2B-Geschäfte umfasst. Die DL-InfoVO bestimmt zwar in § 4 Abs. 2, dass von ihrem Anwendungsbereich Dienstleistungsempfänger ausgenommen sind, die Letztverbraucher im Sinn der Preisangabenverordnung sind. Letztverbraucher sind dabei auch Personen, die die Ware oder Leistung nicht weiter umsetzen. Rein theoretisch fallen damit unter den Begriff der Letztverbraucher im Sinn der Preisangabenverordnung auch selbständig beruflich tätige Abnehmer. Da der Abschluss des Werbevertrages einem selbständigen Unternehmer angeboten wurde und dieser nicht auf Weiterverwendung ausgerichtet war, könnte rein theoretisch die DL-InfoVO ihrem Wortlaut nach nicht angewendet werden. Da aber die DL-InfoVO der Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie dient, die nicht nur auf Letztverbraucher anzuwenden ist, ist in richtlinienkonformer Auslegung § 4 Abs. 2 DL-InfoVO so zu lesen, dass unter dem Begriff der Letztverbraucher nur solche Personen und Gewerbetreibende fallen, die nicht vom Anwendungsbereich der Preisangabenverordnung ausgenommen sind. Danach muss entsprechend § 4 Abs. 1 Nr. 1 DL-InfoVO der Dienstleistungserbringer vor Abschluss des schriftlichen Vertrages oder, sofern kein schriftlicher Vertrag geschlossen wird, vor Erbringung der Dienstleistung über den Gesamtpreis der Dienstleistung im vorhinein informieren.
Darüber hinaus stellt § 4 DL-InfoVO eine Marktverhaltensregelung im Sinn des § 4 Nr. 11 UWG dar. Darüber hinaus hat das Landgericht Ulm die Auffassung vertreten, dass bei Verletzung einer Informationspflicht dem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthalten wird.
Az: S 3 0841/11
gb
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