Home News Die Entscheidungen des KG (Beschluss v. 18.7.2006, Az. 5 W 156/06), OLG Hamburg (Urteil v. 24.8.2006, Az. 3 U 103/06) und des LG Halle (Urteil v. 13.5.2005, Az. 1 S 28/05)

Die Entscheidungen des KG (Beschluss v. 18.7.2006, Az. 5 W 156/06), OLG Hamburg (Urteil v. 24.8.2006, Az. 3 U 103/06) und des LG Halle (Urteil v. 13.5.2005, Az. 1 S 28/05)

Dieser Artikel liefert ergänzende ausführliche Ausführungen zu den Entscheidungen des LG Halle (Urteil v. 13.5.2005, Az. 1 S 28/05), KG Berlin (Beschluss v. 18.7.2006, Az. 5 W 156/06) und OLG Hamburg (Urteil v. 24.8.2006, Az. 3 U 103/06).

Dieser Artikel liefert ergänzende ausführliche Ausführungen zu den Entscheidungen des LG Halle (Urteil v. 13.5.2005, Az. 1 S 28/05), KG Berlin (Beschluss v. 18.7.2006, Az. 5 W 156/06) und OLG Hamburg (Urteil v. 24.8.2006, Az. 3 U 103/06). Eine Kurzdarstellung für die Praxis finden Sie hier auf diesen Seiten.

1. LG Halle, Urteil v. 13.5.2005, Az. 1 S 28/05

Nach Ansicht des Gerichts entspricht die Musterbelehrung (Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoV) nicht den Vorgaben der Verordnungsermächtigung (Art. 245 EGBGB), nach der dem Verbraucher bei einer grundgesetzkonformen Auslegung (Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG) seine Rechte entsprechend § 355 Abs. 2 BGB „deutlich“ gemacht werden müssten. Dies sei bei der Musterbelehrung nicht der Fall, da der Verbraucher aufgrund von Abweichungen zum Wortlaut der gesetzlichen Vorgaben in § 355 BGB im Unklaren gelassen werde, wann die Widerrufsfrist tatsächlich zu laufen beginne. Der Unternehmer könne sich daher nicht wirksam auf das Muster berufen.

Die Widerrufsbelehrung sei daher auch bei Verwendung des Musters an den gesetzliche Anforderungen des § 355 BGB zu messen, denen sie aus mehreren Gründen nicht genüge. Zunächst beginne die Widerrufsfrist erst am Tag nach der Belehrung und nicht „frühestens mit Erhalt der Belehrung“. Weiterhin werde dem Verbraucher nicht klar, dass und unter welchen Voraussetzungen er möglicherweise auch weit jenseits von zwei Wochen nach Erhalt der Widerrufsbelehrung von dem Widerrufsrecht Gebrauch machen könne. Schließlich finde § 355 Abs. 2 S. 3 BGB auf schriftlich abzuschließende Verträge (das sind Verbraucherdarlehens- und Teilzeitwohnrechtsverträge) keine Berücksichtigung, nach dem die Frist erst zu laufen beginne, wenn dem Verbraucher eine Vertragsurkunde, der schriftliche Antrag des Verbrauchers oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrags zur Verfügung gestellt werden.

Teilweise wird nun aufgrund des Urteils vertreten, dass alle im Fernabsatz verwendeten Musterbelehrungen der Shop-Betreiber unwirksam seien und abgemahnt werden könnten.

§ 14 Abs. 1, Abs. 2 BGB-InfoV begründet aber einen Vertrauensschutz des Unternehmers. Nach dieser Vorschrift genügt die Belehrung über das Widerrufs- bzw. Rückgaberecht den Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB bzw. § 356 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB, wenn das Musterformular verwendet wird. Folgte man dem Urteil, unterliefe man daher die Intention des Gesetzgebers, die Unklarheiten für die Unternehmer durch das Bereitstellen eines Musters zu verhindern. Das Urteil des LG Halle ist deshalb äußerst kritisch zu beurteilen.

Da die Verordnung dem Gesetzeswortlaut nicht widerspricht, sondern diesen nicht ausreichend „deutlich“ wiedergibt, ist die Annahme, dass die Verordnung nichtig ist, zudem nicht zwingend. In der Kommentarliteratur wird dementsprechend davon ausgegangen, dass die Musterwiderrufsbelehrung trotz der (seit längerem bekannten) Mängel als wirksam anzusehen ist (Palandt-Heinrichs, § 14 BGB-InfoV, Rn. 6). Teilweise wird dies mit der guten Begründung vertreten, dass die Neufassung der Anlage 2 durch Art. 3 Abs. 2 des Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über Fernabsatzverträge bei Finanzdienstleistungen vom 2.12.2004 (BGBl. I S. 3102) dazu geführt habe, dass das Muster in Gesetzesrang erhoben worden ist (Masuch, BB 2005, 344, 347 f.; MüKo/Habersack, Art. 245 EGBGB, 4. Aufl. 2006, Rn. 1, einschränkend: „dadurch womöglich in Gesetzesrang erhoben worden“). Dies konnte das LG Halle in seiner Entscheidung nicht berücksichtigen, weil das Muster vor dem In-Kraft-Treten des Gesetzes verwendet worden war.

Aus heutiger Sicht sollte dem Urteil des LG Halle daher keine Präzedenzwirkung zugemessen werden. Auf keinen Fall erscheint es ratsam, einer allein auf das Urteil des LG Halle gestützten Abmahnung Folge zu leisten und eine Unterlassungserklärung abzugeben, die sich darauf richtet, dass das Muster nach Anlage 2 (oder Anlage 3) der BGB-InfoV nicht mehr verwendet wird. Auf eine Abmahnung kann mit einem Hinweis auf die o. g. Kritik reagiert werden.

Die Verwendung des Musters ist nach Ansicht der Wettbewerbszentrale im „regulären“ Online-Handel grundsätzlich nach wie vor zu empfehlen, weil nur in Bezug auf die wortgetreue Verwendung des Musters die Fiktion des § 14 Abs. 1 und Abs. 2 BGB-InfoV eingreift. Etwas anderes gilt aufgrund der im Folgenden dargestellten Entscheidungen des KG Berlin und OLG Hamburg für Unternehmer, die ihre Leistungen über Internet-Auktionplattformen anbieten.

2. KG, Beschluss v. 18.7.2006, Az. 5 W 156/06; OLG Hamburg, Urteil v. 24.8.2006, Az. 3 U 103/06

Ähnlich weitreichend sind zwei Entscheidungen des Berliner Kammergerichts und Hanseatischen Oberlandesgerichts. Nach übereinstimmender Ansicht der Richter ist eine Widerrufsbelehrung, nach der bei einer Auktion über eine Internet-Versteigerungsplattform (in beiden Fällen eBay) ein zweiwöchiges Widerrufsrecht eingeräumt wird, inhaltlich unrichtig.

Die regelmäßige Frist von zwei Wochen (§ 355 Abs. 1 S. 2 BGB) gelte nur dann, wenn der Verbraucher vor oder bei Zustandekommen des Vertrags nochmals in Textform über das Widerrufsrecht sowie die Bedingungen und Einzelheiten der Ausübung informiert werde. Da der Vertragsschluss bei eBay bereits durch Abgabe der Verbrauchererklärung zustande komme und die Belehrung auf einer Webseite den Anforderungen an die Textform des § 126b BGB nicht genüge, könne dem Verbraucher die Widerrufsbelehrung erst nach Vertragsschluss in Textform übermittelt werden. Daher verlängere sich die Widerrufsfrist gemäß § 355 Abs. 2 S. 2 BGB immer auf einen Monat. Darüber müsse auch entsprechend belehrt werden.

Die Berliner Richter konkretisieren die Anforderungen an die Belehrung weiter: In der Belehrung über das einmonatige Widerrufsrecht auf der Webseite müsse angeführt werden, „dass die Frist frühestens mit Erhalt einer (in Textform noch gesondert mitzuteilenden) Widerrufsbelehrung zu laufen beginnt“ und nicht – wie das Muster vorsieht – „frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“. Das KG Berlin fordert hier somit eine Abweichung vom Wortlaut der Muster nach Anlage 2 und Anlage 3 BGB-InfoV.

Die Entscheidungen hätten in der Praxis weiterhin zur Folge, dass bei Internet-Auktionen keine Wertersatzpflicht wirksam vereinbart werden kann, weil auch hier die entsprechende Belehrung nach § 357 Abs. 3 S. 1 BGB spätestens bei Vertragsschluss in Textform erfolgen muss. Dies ist technisch derzeit aber nicht möglich.

Die Entscheidungen sind sowohl bei einer systematischen Auslegung als auch bei einer Auslegung nach dem Sinn und Zweck der Fernabsatzvorschriften als problematisch anzusehen.

Der (speziellere) § 312c Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB spricht ausdrücklich davon, dass die Belehrung in Textform bei Verträgen über Waren „spätestens bis zur Lieferung an den Verbraucher“ erfolgen kann. Darunter ist der Erhalt (und nicht die Absendung) der Ware zu verstehen, denn der Gesetzgeber geht davon aus, dass die Lieferung der Ware der vollständigen Erfüllung entspricht. Es stellt einen nicht auflösbaren Wertungswiderspruchs von § 355 Abs. 2 S. 2 BGB zu § 312c Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB (der die bisherige Praxis des Versandhandels und auch die Rechtsprechung der letzten Jahre bestimmt hat) dar, wenn einerseits die Belehrung in Textform bis zur Warenlieferung als ausreichend angesehen, andererseits hinsichtlich der Wirkungen aber von einer verspäteten Belehrung ausgegangen wird. Systematisch sollte daher der spezielleren Vorschrift gefolgt werden.

Auch eine teleologische Auslegung der Vorschriften führt zu diesem Ergebnis. Es ist kein Grund ersichtlich, warum der Fernabsatz über Versteigerungsplattformen hinsichtlich der Widerrufsfrist schlechter gestellt werden soll als der restliche Internet-Handel. Eine entsprechende Aussage des Gesetzgebers findet sich auch an keiner Stelle des Gesetzgebungsverfahrens. Mit § 312c Abs. 2 BGB ist § 355 Abs. 2 S. 2 BGB daher für den Fernabsatz teleologisch zu reduzieren auf „nicht alsbald nach Vertragsschluss“ (vgl. Kaestner/Tews, WRP 2004, 509, 512 f.).

Der Beschluss des KG Berlin folgt dem Wortlaut des § 355 Abs. 2 S. 2 BGB und enthält eine ausführliche Begründung. Auch das OLG Hamburg begründet ausführlich, setzt sich aber im Wesentlichen mit dem Argument auseinander, dass bereits die auf der Auktionsplattform enthaltenen AGB eine Belehrung in Textform darstellen. Diese Ansicht lehnt das OLG Hamburg richtigerweise ab. Weil es sich aber um die ersten diesbezüglichen Entscheidungen auf Oberlandesgerichtsebene handelt, schaffen sie – auch wenn es sich nur um Verfahren um einstweiligen Rechtsschutz handelt – Fakten, denen sich insbesondere kleinere gewerbliche Anbieter auf Internet-Auktionsplattformen kaum verschließen können. Wird ein zweiwöchiges Widerrufsrecht eingeräumt und entsprechend belehrt, ist der Unternehmer, der Internet-Auktionsplattformen gewerblich nutzt, heute dem nicht unerheblichen Risiko ausgesetzt, abgemahnt und möglicherweise verklagt zu werden.

Unternehmern, die auf Internet-Auktionsplattformen tätig sind, ist angesichts der beiden Entscheidungen heute zu empfehlen, ein einmonatiges Widerrufsrecht einzuräumen und auch entsprechend zu belehren. In dieser Hinsicht ist eine Anpassung des Musters der Widerrufs- oder Rückgabebelehrung auch möglich. Angesichts der o. g. Kritik erscheint es aber bedenklich, die Abgabe einer entsprechenden Unterlassungserklärung anzuraten. Mit der o. g. Kritik kann einer Abmahnung begegnet werden. Allerdings setzt sich der Unternehmer in diesem Fall einem Prozessrisiko aus. Aus unternehmerischer Sicht erscheint es aber durchaus ratsam, dass weitere gerichtliche Klärungen dieser Frage erfolgen.

Weitaus größere praktische Schwierigkeiten stellen sich in Bezug auf den in Textform erforderlichen Hinweis auf die Möglichkeit einer Wertersatzpflicht nach § 357 Abs. 3 S. 1 BGB, weil dieser ebenfalls in Textform „spätestens bei Vertragsschluss“ erfolgen muss. Bei Internet-Auktionen kann eine Wertersatzpflicht daher nicht wirksam vereinbart werden. Eine einfache Anpassung der Musterbelehrung (z. B. durch Streichung des entsprechenden Passus) ist aber nicht möglich, weil damit vom Wortlaut des Musters abgewichen wird und die § 14 Abs. 1 und Abs. 2 BGB keine Anwendung finden, nach denen die Verwendung des Musters den Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB auf jeden Fall genügt. Eine Streichung hätte damit zur Folge, dass die gesamte Belehrung angepasst werden müsste, weil das gesetzliche Muster bekannte Fehler aufweist. Das gesetzliche Muster der Rückgabebelehrung kann damit bei Internet-Auktionen auf keinen Fall verwendet werden, weil bei der Beschreibung der Rückgabefolgen eine unbedingte Wertersatzpflicht enthalten ist. Die Verwendung des Musters der Widerrufsbelehrung kann dagegen möglicherweise durch einen erläuternden Hinweis „gerettet“ werden, weil die Widerrufsfolge nur „ggf.“ einen Wertersatz vorsieht. Hier könnte (beispielsweise mittels einer Verlinkung der Worte „ggf. Wertersatz“ aus Satz 2 der Widerrufsfolgen zu einem erläuternden Hinweis), deutlich gemacht werden, dass die Wertersatzpflicht bei Internet-Auktionen nicht entsteht. Da bisher völlig ungewiss ist, ob die Gerichte eine derartige Erläuterung akzeptieren würden, sollte sich ein gewerblich auf Internet-Auktionsplattformen tätiger Unternehmer durch einen spezialisierten Anwalt eine auf den besonderen Einzelfall abgestimmte Belehrung erstellen lassen, in der die seit längerem bekannten fehlerhaften Formulierungen (z. B. zum Fristbeginn) und aufgrund der Entscheidungen des KG Berlin und OLG Hamburg heute fehlerhaft erscheinenden Formulierungen (Frist, Wertersatz) der gesetzlichen Musterbelehrungen ersetzt werden.

Entgegen der vom KG Berlin ausdrücklich vertretenen Ansicht („Zum andern bezieht sich das Verbot nur auf Geschäfte und Widerrufsbelehrungen auf der Internetplattform ‚ebay'“) hat der Beschluss auch gravierende Auswirkungen auf den „regulären“ Online-Handel. Dort stellt die Bestellung des Verbrauchers regelmäßig ein Angebot dar und der Vertrag kommt erst mit einer Annahmeerklärung des Verkäufers (z. B. einer E-Mail-Vertragsbestätigung) oder dem Absenden der Ware zustande. Zu einer Fristverlängerung kommt es dann, wenn die Belehrung nach dem jeweiligen Zeitpunkt des Vertragsschlusses erteilt wird. Somit sind die Belehrungen über ein zweiwöchiges Widerrufsrecht auf den Webseiten der Online-Shops nicht per se unzutreffend und damit auch nicht abmahnfähig. Die Frage, ob die Belehrung nach dem Vertragsschluss erfolgt, hängt aber von der praktischen Ausgestaltung ab: Erfolgt eine Annahme des Vertrags in Textform vor Warenlieferung, muss die Belehrung auf jeden Fall im Rahmen dieser Textformnachricht erfolgen. Erfolgt die Annahme durch Warenabsendung, stellt sich die Frage, ob ein Beilegen von Kundeninformationen oder eine Widerrufsbelehrung auf der Rechnung ausreicht oder ob eine Übersendung der Belehrung in Textform vor Warenabsendung erfolgen muss. Gegen eine restriktive Interpretation spricht, dass die Belehrung nicht unbedingt vor den Vertragserklärungen erfolgen muss. Dem Kunden soll nur ermöglicht werden, ohne zeitliche Unterbrechung zum Vertragsschluss von seinem Widerrufsrecht Kenntnis zu nehmen (so auch MüKo-Ulmer, § 355 Rn. 53). Diese Möglichkeit hat der Verbraucher aber, wenn er die Belehrung zeitgleich mit der Warenlieferung erhält. Nach Ansicht der Wettbewerbszentrale genügt die der Ware beigelegte Belehrung in Textform daher den gesetzlichen Anforderungen. Auch hier gilt aber, dass eine zweiwöchige Frist angesichts der Entscheidungen des KG Berlin und OLG Hamburg rechtssicher nur in Gang gesetzt wird, wenn eine Textformbelehrung vor dem Absenden der Ware erfolgt. Wird der Kaufvertrag bereits vor dem Absenden der Ware in anderer Form angenommen, muss die Textformbelehrung in unmittelbarem Zusammenhang mit der Annahmeerklärung erfolgen (beispielsweise in derselben E-Mail).

Die Wettbewerbszentrale greift aus den oben ausführlich dargelegten Gründen derzeit (auch bei Internet-Auktionen) wie bisher den (nach Ansicht des KG Berlin und OLG Hamburg vorliegenden) Verstoß gegen § 355 Abs. 2 S. 2 BGB aufgrund der möglicherweise fehlerhaften Angabe der zweiwöchigen Widerrufsfrist nicht auf. Noch einmal muss aber deutlich darauf hingewiesen werden, dass aufgrund der bereits bekannt gewordenen Tätigkeit anderer Verbände und der Mitbewerber aus Praxissicht bei Internet-Auktionen die Verlängerung der Widerrufsfrist auf einen Monat sowie die Einschaltung eines Anwalts für die rechtssichere Gestaltung der Widerrufs- oder Rückgabebelehrung empfehlenswert sind.

Quelle: Eigene Recherche

Ihr direkter Zugriff auf folgende Bereiche:

Kontakt
Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e. V.
Tannenwaldallee 6
61348 Bad Homburg vor der Höhe
T: +49 6172 12150
mail@wettbewerbszentrale.de