Das französische Verfahren der vorherigen Genehmigung für das Inverkehrbringen von mit Nährstoffen angereicherten Lebensmitteln, die in den Mitgliedstaaten hergestellt und in den Verkehr gebracht worden sind, behindert den freien Warenverkehr.
Dieses Genehmigungsverfahren ist schwer zugänglich, auf dem Gebiet des Rechtsschutzes wenig transparent und sieht keine angemessenen Fristen vor. Außerdem dürfen die Anträge auf Genehmigung von den zuständigen französischen Behörden nur dann abgelehnt werden, wenn diese Stoffe tatsächlich eine Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung darstellen.
In Frankreich ist die Vermarktung von bestimmten Lebensmitteln untersagt, denen Nährstoffe (wie Vitamine, Mineralsalze, Aminosäuren und weitere Stoffe) mit Ausnahme derjenigen zugesetzt worden sind, die bei einer vorherigen Prüfung von Frankreich für zulässig erklärt worden sind. In anderen Mitgliedstaaten ansässige Wirtschaftsteilnehmer, die Schwierigkeiten begegnet waren, die Genehmigung zum Verkauf ihrer mit Nährstoffen angereicherten Lebensmittel in Frankreich zu erwirken, hatten sich bei der Kommission beschwert, die im Januar 2000 Klage beim Gerichtshof erhoben hat.
Der Gerichtshof weist darauf hin, dass eine nationale Regelung, wonach der Zusatz eines Nährstoffs zu einem Lebensmittel, das in den Mitgliedstaaten rechtmäßig hergestellt und in den Verkehr gebracht worden ist, im Interesse der Gesundheit der Bevölkerung von einer vorherigen Zulassung abhängig ist, grundsätzlich nicht gegen das Gemeinschaftsrecht betreffend den freien Warenverkehr verstößt, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind:
Das Verfahren der Aufnahme eines Nährstoffs in die nationale Liste der zugelassenen Stoffe muss leicht zugänglich sein und innerhalb eines angemessenen Zeitraums abgeschlossen werden können; falls es zu einer Ablehnung führt, muss die Ablehnungsentscheidung im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens angefochten werden können.
Ein Antrag auf Aufnahme eines Nährstoffs kann von den zuständigen nationalen Behörden nur dann abgelehnt werden, wenn dieser Nährstoff tatsächlich eine Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung darstellt.
Der Gerichtshof verurteilt Frankreich wegen Nichtbeachtung dieser Voraussetzungen: Das Verfahren sei nämlich schwer zugänglich, da es nicht in einem Rechtsakt mit allgemeiner Wirkung ausdrücklich vorgesehen sei, und die von der Kommission angeführten Beispiele zeigten, dass die von den Wirtschaftsteilnehmern gestellten Anträge auf Zulassung weder innerhalb eines angemessenen Zeitraums noch nach einem Verfahren bearbeitet worden seien, das in Bezug auf die im Fall einer Versagung der Zulassung gegebenen Möglichkeiten des gerichtlichen Rechtsschutzes hinreichend transparent gewesen sei.
Der Gerichtshof führt weiter aus, dass es zwar Sache des jeweiligen Mitgliedstaats sei, zu bestimmen, in welchem Umfang er den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung gewährleisten wolle, dass sich die nationalen Behörden bei er Ausübung ihres Ermessens aber gleichwohl gemäß dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auf die zu deren Schutz erforderlichen Maßnahmen beschränken und sich vergewissern müssten, dass die geltend gemachte Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung auf der Grundlage der letzten wissenschaftlichen Informationen, die bei Erlass der Entscheidung über die Ablehnung der Aufnahme zur Verfügung stehen, als hinreichend nachgewiesen anzusehen sei.
Nach Auffassung des Gerichtshofes darf Frankreich das Inverkehrbringen der mit Vitaminen angereicherten Süßwaren und Getränke sowie der Nahrungsergänzungen und diätetischen Produkte, die die Stoffe L-Tartrat und L-Carnitin enthalten, in seinem Hoheitsgebiet nicht allein deshalb verweigern, weil sie zur gewöhnlichen Aufnahme aus einer bereits hinreichend abwechslungsreichen Ernährung hinzukommen würden und für sie kein Ernährungsbedürfnis besteht.
Außerdem habe Frankreich das Erfordernis einer eingehenden Prüfung der mit dem Zusatz von Nährstoffen zu Süßwaren und der in Rede stehenden Vitamine und Mineralstoffe zu Getränken möglicherweise verbundenen Folgen für die Gesundheit der Bevölkerung in jedem Einzelfall nicht beachtet.
Was hingegen energetische Getränke betrifft, deren Koffeingehalt eine bestimmte Grenze übersteigt (z. B. „Red Bull“) und denen Taurin und Glucuronsäure zugesetzt worden sind, so bestehen nach einer von französischen wissenschaftlichen Fachleuten abgegebenen Stellungnahme bei übermäßigem Koffeinkonsum tatsächliche Gesundheitsgefahren und hat der wissenschaftliche Ausschuss für die menschliche Ernährung ein negatives Gutachten über den Zusatz dieser beiden Stoffe zu den Getränken abgegeben. Der Gerichtshof hält diese Stellungnahme für maßgebend, da die Kommission keine Gesichtspunkte vorgebracht habe, die dafür ausreichend wären, die Untersuchung der französischen Behörden hinsichtlich der mit diesen Getränken verbundenen Gesundheitsgefahren in Frage zu stellen.
Quelle: Pressemitteilung des Gerichtshofes vom 05.02.2004
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