Der Bundesgerichtshof hat dem Magazin Focus eine Werbung untersagt, in der dieser damit geworben hatte, Marktführer unter den Nachrichtenmagazinen, insbesondere gegenüber dem Spiegel, zu sein.
Im Juli 1999 war in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung eine ganzseitige Anzeige mit der Schlagzeile „MA ’99/II bestätigt die Marktführerschaft von Focus“ erschienen. In der oberen Hälfte waren in einem Säulendiagramm die Reichweiten von Focus und Spiegel wiedergegeben (für Focus „9,1 % – 5,80 Mio“ und für den Spiegel „8,9 % – 5,64 Mio“). Unter der erwähnten Schlagzeile fand sich ein etwas kleiner gedruckter Text, in dem darauf hingewiesen wurde, dass Focus „im Lesermarkt der Nachrichtenmagazine . die führende Position“ behalte; dies bestätige „die Media-Analyse ’99 Pressemedien II“. Focus erreiche „wöchentlich 5,80 Mio. Leser“.
Der Spiegel-Verlag hat diese Anzeige als irreführend beanstandet, weil für die beanspruchte Marktführerschaft in erster Linie die Verkaufszahlen maßgebend seien. Die verkaufte Auflage des Focus entspreche aber nicht annähernd der des Spiegel oder des Stern. Das Landgericht Hamburg hat die Anzeige für irreführend gehalten. Das Oberlandesgericht Hamburg hat das vom Landgericht ausgesprochene Verbot bestätigt. Mit dem heute ergangenen Urteil hat der Bundesgerichtshof die Revision des Focus zurückgewiesen.
Er hat die Ansicht des Oberlandesgerichts gebilligt, dass die Anzeige sich nicht nur an potentielle Inserenten, sondern auch an die Allgemeinheit richte. Die Richter der Tatsacheninstanz seien auch in der Lage, sich ein Urteil darüber zu bilden, wie ein durchschnittlich aufmerksamer und verständiger Verbraucher die Anzeige verstehe. Dieser Verbraucher denke bei Marktführerschaft vor allem an die verkaufte Auflage. Auch der sorgfältige Leser, der erkenne, dass mit Reichweite und Lesermarkt nur die Zahl der Leser, nicht dagegen die Zahl der Käufer gemeint sei, werde annehmen, dass der Focus den Spiegel bislang schon in der verkauften Auflage und nunmehr auch in der Reichweite übertroffen habe. Unter diesen Umständen komme es nicht darauf an, ob auch potentielle Inserenten, denen von vornherein klar sei, dass die in den Mittelpunkt der Anzeige gestellte Markterhebung nur die Reichweite betreffe, ebenfalls irregeführt würden. Der Bundesgerichtshof hat ferner klargestellt, dass das Oberlandesgericht nicht genötigt war, zur Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise das von Focus beantragte Meinungsforschungsgutachten in Auftrag zu geben. Wenn die Richter selbst durch die zu beurteilende Werbung angesprochen seien oder sonst über besondere Sachkenntnis verfügten, sei eine Beweiserhebung durch das Gutachten eines Sachverständigen nicht erforderlich.
Urteil vom 2. Oktober 2003 – I ZR 150/01 –
Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 02.10.2003
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