Die Verfassungsbeschwerde (Vb) zweier Zahnärzte, die sich gegen ihre berufsgerichtliche Verurteilung zu einer Geldbuße wegen unzulässiger Werbung im Internet und in den „Gelben Seiten“ wehrten, war erfolgreich.
Das Bundesverfassungsgerichts hob das Urteil des Landesberufsgerichts für Zahnärzte in Stuttgart auf, weil es die Beschwerdeführer (Bf) in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes verletzt. Das Verfahren wurde per Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 26. August 2003 an das Landesberufsgericht für Zahnärzte zurückverwiesen.
Zum Sachverhalt: Die Bf und ein weiterer Zahnarzt betreiben eine Gemeinschaftspraxis. In einer vom Bf zu 2 erstellten Internetpräsentation der Praxis wurden die in der Praxis tätigen Zahnärzte in bunten Lichtbildern nebst Angaben u.a. zu ihrem Ausbildungsgang, den Schwerpunkten ihrer zahnärztlichen Betätigung in der Gemeinschaftspraxis und ihren Hobbies wiedergegeben. Die Homepage, die den Hinweis enthielt, man könne in der Praxis den regionalen Dialekt sprechen, stellte weiter die übrigen Mitarbeiter der Gemeinschaftspraxis vor und beschrieb verschiedene zahnärztliche Behandlungen. Schließlich wurden auch die Behandlungszimmer sowie die Ausstattung dieser Räumlichkeiten unter Verweis auf einzelne Geräte, zum Teil unter Angabe des Herstellers, dargestellt. Der Bf zu 2 veranlasste ferner einen Eintrag der Gemeinschaftspraxis im Telefonbuch „Gelbe Seiten“ 2000/2001 unter der Rubrik „Zahnärzte: Implantologie“, was die Bf zu 1 duldete.
Das Bezirksberufsgericht für Zahnärzte verurteilte die Bf wegen berufsunwürdigen Verhaltens zu unterschiedlich hohen Geldbußen. Ihre Berufungen vor dem Landesberufsgericht blieben erfolglos. Mit der Vb rügen die Bf die Verletzung ihres Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG. Aus den Gründen der Entscheidung geht hervor: Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist dem Arzt lediglich die berufswidrige Werbung verboten. Interessengerechte und sachangemessene Information, die keinen Irrtum erregt, ist im rechtlichen und geschäftlichen Verkehr zulässig. Die vom Landesberufsgericht herangezogenen Rechtsgrundlagen begegnen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, sie sind jedenfalls verfassungskonformer Auslegung zugänglich. Im Einzelnen führt die Kammer dazu aus: Die Berufsordnung der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg untersagt dem Zahnarzt jede berufswidrige Werbung und Anpreisung. Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die – durch Enumeration von erlaubten Angaben engere Grenzen ziehende – Regelung der Berufsordnung zur Internetwerbung ist verfassungskonform dahin auszulegen, dass auch insoweit nur die berufswidrige Werbung im Internet unzulässig ist. Die Wahl des Mediums Internet rechtfertigt nicht, die Grenzen enger zu ziehen, zumal sich Internetwerbung als passive Darstellungsplattform nicht unaufgefordert potenziellen Patienten aufdrängt. Die berufsrechtliche Bestimmung, die dem Zahnarzt verbietet, seine zahnärztliche Berufsbezeichnung für gewerbliche Zwecke zu verwenden oder ihre Verwendung für gewerbliche Zwecke zu gestatten und eine Werbung für berufsfremde Tätigkeiten oder Produkte in den Praxisräumen für unzulässig erklärt, ist mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. Sie dient einem beachtlichen Gemeinwohlbelang. Der Patient soll darauf vertrauen können, dass der Arzt sich nicht von kommerziellen Interessen leiten lässt. Die weitere Regelung der Berufsordnung, wonach der Zahnarzt nur von der Kammer anerkannte Gebietsbezeichnungen führen darf, ist nur bei entsprechender Auslegung verfassungskonform. Eine Berufsfeldangabe darf lediglich mit Rücksicht auf anzuerkennende Gemeinwohlbelange verboten werden. Dem so beschriebenen Prüfungsmaßstab des Art. 12 Abs. 1 GG wird die angegriffene Entscheidung nicht in jeder Hinsicht gerecht.
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Das Landesberufsgericht hat Sinn und Zweck der Angabe der „Implantologie“ im Branchentelefonbuch im konkreten Einzelfall unberücksichtigt gelassen. Der wahrheitsgemäße Hinweis auf dieses Betätigungsfeld bedeutet für den Patienten, der sich einer solchen Behandlung unterziehen will, einen wertvollen Suchhinweis im Telefonbuch, da dieses Verfahren nicht von allen Zahnärzten gleichermaßen beherrscht und praktiziert wird. Auch die Beurteilung der Internetwerbung durch das Landesberufsgericht ist verfassungsrechtlich zu beanstanden. Ein Patient hat ein legitimes Interesse an Informationen über den beruflichen Werdegang und die Praxiserfahrungen von Zahnärzten. Sie sind daher als sachangemessen zu qualifizieren. Auch der Hinweis auf das Beherrschen des einheimischen Dialekts ist bedenkenfrei. Für die vertrauenbildende Verständigung ist der Arzt auf eine gute Kommunikation mit dem Patienten angewiesen. Dies gilt auch für die örtliche Sprechweise. Der Sympathiewerbung mit privaten Hobbies fehlt es zwar am Sachzusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit oder Qualifikation der Zahnärzte. Gemeinwohlbelange, die ein Verbot solcher Angaben im Rahmen der passiven Werbung im Internet rechtfertigen könnten, sind jedoch nicht ersichtlich. Soweit die angegriffene Entscheidung den Bf einen Verstoß gegen das Fremdwerbeverbot anlastet, ist sie verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Dieser Verstoß vermag jedoch den Umfang der ausgesprochenen Verurteilung nicht zu tragen.
Quellen: Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts vom 04.09.2003, Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 26. August 2003, Aktenzeichen: – 1 BvR 1003/02 –
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