Die Wettbewerbszentrale hat in einem Verfahren vor dem Landgericht Frankfurt a. M. gegen die Fluggesellschaft Ryanair wegen der Verwendung bestimmter Klauseln in deren allgemeinen Beförderungsbedingungen erstinstanzlich obsiegt (LG Frankfurt a. M., Urteil vom 25.11.2021, Az. 2-03 O 527/19 – nicht rechtskräftig):
Die Fluggesellschaft Ryanair DAC regelte in ihren Allgemeinen Beförderungsbedingungen (ABB), dass Fluggäste etwaige Entschädigungsansprüche zunächst selbst bei der Fluggesellschaft über deren Internetseite geltend machen müssten und erst nach Ablauf einer Bearbeitungsfrist Dritte mit der Geltendmachung ihrer Ansprüche beauftragen dürften. Zudem sollte eine Abtretung von Ausgleichs-, Schadensersatz- und Rückerstattungsansprüchen nur an natürliche Personen, die der konkreten Flugbuchung oder Reisegruppe zugehörig waren, sowie gesetzliche Vertreter Minderjähriger zulässig sein.
Während des Verfahrens änderte Ryanair vorstehende Klauseln insoweit, als die ihr zu gewährende Bearbeitungsfrist verkürzt wurde und eine Bearbeitung von Dritten geltend gemachter Ansprüche nur erfolgte, wenn diese Angaben zu Kontakt- und Zahlungsdaten des Fluggastes zwecks unmittelbarer Zahlung an diesen beinhalteten.
Schließlich unterstellte Ryanair das Beförderungsverhältnis per ABB Klausel Irischem Recht, sofern „das Übereinkommen oder die einschlägigen Gesetze nichts anderes vorsehen“.
Die Wettbewerbszentrale beanstandete diese Regelungen als unangemessene Benachteiligung von Verbrauchern, denen die Durchsetzung ihrer gesetzlichen Rechte unzulässig erschwert werde und erhob Klage gegen Ryanair. Sie ist der Auffassung, dass es dem Verbraucher insbesondere nach der Fluggastrechte-VO (Verordnung (EG) Nr. 261/2004) freistehe, auf welche Weise er seine Entschädigungsansprüche wegen Verspätung oder Flugausfalls geltend machen will. Die Geltendmachung der Verbraucheransprüche durch Fluggastrechteportale und Legal Tech-Anbieter werde von Ryanair mittels der vorstehenden ABB Regelungen unzulässig erschwert oder gar verhindert.
Das Landgericht Frankfurt a. M. bestätigte die Auffassung der Wettbewerbszentrale und stellte zunächst unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des OLG Köln zu einer wortgleichen Rechtswahlklausel (OLG Köln, Beschluss vom 29.1.2021, Az. 9 U 84/20) fest, dass diese irreführend, intransparent und damit rechtsmissbräuchlich sei. Ein juristisch nicht vorgebildeter Leser könne aufgrund der Formulierung der Klausel nicht erkennen, welches Recht im konkreten Fall zur Anwendung gelange.
Die weiteren beanstandeten ABB Klauseln verstoßen nach Ansicht der Kammer gegen AGB-Recht sowie die Fluggastrechte-VO und verwirklichen den Rechtsbruchtatbestand des UWG. Sie beeinträchtigten zum einen die Verbraucherinteressen unangemessen, da sie in die Dispositionsbefugnis des Verbrauchers eingreifen, zu entscheiden, ob dieser seine Ansprüche selbst oder durch Dritte geltend machen möchte. Zudem überwiege das Interesse des Verbrauchers an der Abtretbarkeit seiner Forderungen gegenüber entgegenstehenden Interessen von Ryanair. Die in den ABB geregelten Voraussetzungen für die Geltendmachung etwaiger Ansprüche seien ferner unwirksam nach Art. 15 Fluggastrechte-VO, da sie den Fluggästen die Rechtsdurchsetzung durch Dritte unmögliche machten bzw. deutlich erschwerten.
Die Entscheidung des LG Frankfurt a.M. steht damit in einer Linie mit dem jüngst ergangenen Urteil des LG Berlin (Wizz Air; LG Berlin, Urteil vom 31.8.2021, Az. 03 O 7/20).
„Bestrebungen von Fluggesellschaften, die Geltendmachung von Fluggastrechten durch Legal Tech-Portale durch vertragliche Regelungen mit den Fluggästen auszuschließen oder zu beschränken, nicht nur zu einer erheblichen Einschränkung gesetzlicher Ansprüche der Fluggäste. Rechtskonform agierende Wettbewerber, die einen infolge rechtmäßiger Forderungsabtretungen an Fluggastrechteportale möglichen zusätzlichen Verwaltungsaufwand tragen, werden gleichzeitig in unlauterer Weise benachteiligt.“, erklärt Patrick Matern, Syndikusrechtsanwalt und zuständiger Referent für den Bereich Tourismus bei der Wettbewerbszentrale.
Wettbewerbszentrale
Die Wettbewerbszentrale ist die größte und einflussreichste Selbstkontrollinstitution für fairen Wettbewerb. Getragen wird die gemeinnützige Organisation von mehr als 1.200 Unternehmen und über 800 Kammern und Verbänden der Wirtschaft. Sie finanziert sich allein aus der Wirtschaft heraus und erhält keine öffentlichen Mittel. Als branchenübergreifende, neutrale und unabhängige Institution der deutschen Wirtschaft setzt sie die Wettbewerbs- und Verbraucherschutzvorschriften im Markt – notfalls per Gericht – durch. Sie bietet umfassende Informationsdienstleistungen, berät ihre Mitglieder in allen rechtlichen Fragen des Wettbewerbs und unterstützt den Gesetzgeber als neutraler Ratgeber bei der Gestaltung des Rechtsrahmens für den Wettbewerb.
Kontakt:
Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs
Frankfurt am Main e.V.
Patrick Matern, Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt)
Landgrafenstr. 24 B
61348 Bad Homburg
Tel.: 06172-121515
E-Mail: matern@wettbewerbszentrale.de
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