Bad Homburg/Stuttgart, 06.05.2014 · Insgesamt mehr als 13.000 Beschwerden und Anfragen wegen unlauteren Wettbewerbs sind im vergangenen Jahr bei der Wettbewerbszentrale eingegangen. Das berichtete Dr. Reiner Münker, Geschäftsführendes Präsidiumsmitglied der Selbstkontrollinstitution der Wirtschaft, bei Vorstellung des Jahresberichts 2013 am Rande der diesjährigen Jahrestagung in Stuttgart. „Gleich, ob es um die Irreführung über den Preis, die Qualität oder andere Produktmerkmale geht: Es sind in den allermeisten Fällen die Unternehmen selbst, die sich mit Beschwerden über Wettbewerbsverstöße von Konkurrenten an die Wettbewerbszentrale wenden – teilweise, ohne dass betroffene Verbraucher überhaupt die Irreführung bemerken“, erklärte Münker. Rund 80 % aller Beschwerden über unlauteren Wettbewerb stammten von den Unternehmen und ihren Wirtschaftsverbänden.
Wettbewerber verfügen in der Regel über eine wesentlich bessere Kenntnis des Marktes und der Produkte als die Verbraucher. So sind sie in der Lage, schnell festzustellen, ob die Werbeaussage des Konkurrenten stimmt. Der Verbraucher wird beispielsweise im Normalfall kaum eine Irreführung über eine Kapazitätsangabe auf einem Akku oder über die Textilfaserzusammensetzung von Möbelbezugsstoffen aufdecken, für die beispielsweise mit „Lederstuhl“ geworben wird – Wettbewerber dagegen schon. „Dieses Frühwarnsystem innerhalb der Wirtschaft ist geradezu essentiell für den fairen Wettbewerb. Auf diese Weise kann die Wettbewerbszentrale – übrigens auf eigene Kosten und ohne Belastung öffentlicher Haushalte – in den allermeisten Fällen frühzeitig und ohne Inanspruchnahme der Gerichte verhindern, dass lauter agierenden Wettbewerbern durch den Wettbewerbsverstoß Umsatz entgeht und Verbraucher mit angeblichen Preisvorteilen angelockt werden, die tatsächlich nicht existieren.“, resümierte Münker.
Rund 700 Mal musste die Wettbewerbszentrale im vergangenen Jahr vor Gericht ziehen, um die Spielregeln im Wettbewerb durchzusetzen. Dabei zeigte sich Münker insgesamt zufrieden mit der erfolgreichen Prozessführung: Von insgesamt 19 von der Wettbewerbszentrale beim Bundesgerichtshof im Jahr 2013 bis heute geführten Wettbewerbsverfahren sind 18 zugunsten der Wettbewerbszentrale ausgegangen. In zwei weiteren wichtigen Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof ist dieser ebenfalls der Auffassung der Wettbewerbszentrale gefolgt. Dort konnte die Wettbewerbszentrale zum Beispiel durchsetzen, dass die Regeln gegen unlautere Geschäftspraktiken auch gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen gelten.
Unlauterer Wettbewerb geschieht auf die unterschiedlichste Weise und zieht sich durch alle Branchen. Hauptgrund der Beschwerden ist dabei nach wie vor die Irreführung der Verbraucher. 7.816 Fälle und damit knapp 60 % der in 2013 von der Wettbewerbszentrale bearbeiteten Fälle betrafen irreführende Werbung oder die Verletzung von gesetzlich vorgesehenen Informationspflichten. „Diese Anzahl darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Gros der Unternehmen sich im Wettbewerb absolut fair verhält – setzt man diese Zahl in Relation zu Hunderttausenden tagtäglicher Werbemaßnahmen und Kaufkontakte“, erläuterte Münker. Rechtstreu agierende Unternehmen seien vielmehr genauso wie Verbraucher betroffen, wenn der Wettbewerber, sei es aus Unkenntnis, aus Versehen oder – seltener – ganz bewusst die wettbewerbsrechtlichen Grenzen überschreite und dadurch der eigene Umsatz geschwächt werde.
Besonders auffallend war die häufige Beanstandung von Werbung mit Testergebnissen, Auszeichnungen und sonstigen angeblichen Gütesiegeln. So war die Werbung mit der Auszeichnung „Kuchen des Jahres“ irreführend, da das Produkt nicht – wie vom Verbraucher erwartet – Sieger eines Tests verschiedener Konkurrenzprodukte war, sondern lediglich aus drei der eigenen Kuchensorten des werbenden Unternehmens ausgewählt worden war. Andere Fälle betrafen etwa die Irreführung mit Testergebnissen im Hinblick auf das Ranking, wie z. B. die Werbung eines Mobilfunkanbieters mit „Winner Deloitte Technology Fast 50 2010“, obwohl das Unternehmen im Rahmen des Tests nur den 12. Platz belegt hatte. Grob irreführend war auch die missbräuchliche Verwendung des renommierten Trusted Shop-Siegels durch einen Onlineshop, obwohl ihm das Siegel bereits vor zwei Jahren entzogen worden war.
Auch bei Verkaufsförderungsmaßnahmen wie Gutscheinen, Boni und Rabatten musste die Wettbewerbszentrale vermehrt unlautere Praktiken feststellen. So wurden die Verbraucher etwa über Einschränkungen der vollmundig angekündigten Vorteile oder damit verbundene Kosten nicht oder nur unzureichend informiert. Dies war z. B. der Fall bei der Werbung für WASA-Knäckebrot mit: „GRATIS Frühstücksbrettchen aus hochwertigem Glas im Knäcke-Look! 2 Packungen für 1 personalisiertes Brettchen“, weil „GRATIS“ über ein Sternchen zu dem Hinweis „zzgl. reduzierter Versandkosten“ führte. Diese betrugen dann allerdings 4,99 Euro, wie sich erst bei genauem Lesen der Rückseite der Verpackung ergab. Ebenso intransparent war die Werbung von Samsung für einen Neujahrsbonus mit „GALAXY Note 3 kaufen und 100 € zurückbekommen“, bei der man erst nach dem Kauf die Teilnahmebedingungen erfuhr – ebenso wie die Tatsache, dass nur Geräte mit einer bestimmten Gerätenummer für die Aktion zugelassen waren.
Aktuell geht die Wettbewerbszentrale gegen Unternehmen der vier großen Netzanbieter vor, weil diese irreführend mit besonders günstigen Preisen für ihre Produkte auf dem Portal „Google Shopping“ geworben hatten. Die Produkte waren zu dem beworbenen Preis aber gar nicht erhältlich. Aufgrund der günstigen Preise standen die betreffenden Angebote dabei jeweils oben in der preisaufsteigenden Google Shopping-Trefferliste, die Anzeigen von wettbewerbskonform agierenden Wettbewerbern erschienen dagegen weiter unten. Betroffen waren auch hier, neben den getäuschten Interessenten, Unternehmen, denen potentielle Kunden weggeschnappt wurden. Einer dieser Wettbewerbsverstöße ist bereits außergerichtlich ausgeräumt.
Einen besonders krassen Fall der Behinderung von Wettbewerbern hat die Wettbewerbszentrale dagegen gerichtlich untersagen lassen müssen: Die energie-BKK hatte Versicherten anderer Krankenkassen mittels des – bei Verbrauchern relativ unbekannten – PostIdent-Special-Verfahrens vorgefertigte Kündigungsschreiben zustellen lassen. Das PostIdent-Special-Verfahren ermöglicht die Einholung einer Unterschrift unter ein Original-Dokument. Die betroffenen Verbraucher wurden allerdings nicht darüber aufgeklärt, dass sie mit der Unterschrift bei Entgegennahme der PostIdent-Sendung die Kündigung ihrer bestehenden Krankenkassenmitgliedschaft unterzeichnen.
Wettbewerbszentrale
Die Wettbewerbszentrale ist die größte und einflussreichste Selbstkontrollinstitution für fairen Wettbewerb. Als branchenübergreifende und unabhängige Institution der deutschen Wirtschaft unterstützt sie den Gesetzgeber als neutraler Ratgeber bei der Gestaltung des Rechtsrahmens für den Wettbewerb, bietet umfassende Informationsdienstleistungen rund um das Wettbewerbsrecht, berät ihre Mitglieder in allen rechtlichen Fragen des Wettbewerbs und setzt als Hüter des Wettbewerbs die Spielregeln im Markt – notfalls per Gericht – durch. Getragen wird die gemeinnützige Organisation von mehr als 1.200 Unternehmen und über 800 Kammern und Verbänden der Wirtschaft.
Medienkontakt:
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