MÜNCHEN – Insgesamt 15.000 Beschwerden und Anfragen zu unlauterem Wettbewerb. Zunehmende Werbeversprechen mit falschen Güte- und Testsiegeln beschäftigen Wettbewerbszentrale. Über 100 Verfahren wegen getarnter Werbung gegen Verlage. Irreführende Preise geben Anlass zu Beschwerden.
Die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V., Frankfurt am Main hat im Jahr 2009 rund 15.000 Beschwerden und Anfragen über unrechtmäßige Geschäftspraktiken bearbeitet. Insgesamt bewegt sich der Beschwerdeeingang damit nach wie vor auf einem hohen Niveau. „Allerdings können wir feststellen, dass es trotz härteren Wettbewerbs und zunehmenden Kostendrucks der Unternehmen im Vergleich zu den Vorjahren insgesamt keinen Anstieg der Beschwerdefälle gegeben hat“, erklärte Dr. Reiner Münker, geschäftsführendes Präsidiumsmitglied der Wettbewerbszentrale am Rande der diesjährigen Jahrestagung der Selbstkontrollinstitution der Wirtschaft am Dienstag in München.
Dabei reichten die Fälle von versehentlichen Verstößen gegen formale Werbevorschriften bis hin zu aggressiven und gezielten Täuschungen und Wettbewerbsverzerrungen. Mit über 6.000 Fällen stellen die Beschwerden und Anfragen zu mangelnder Transparenz, Kennzeichnung und Irreführung den weitaus größten Anteil an der Arbeit der Wettbewerbszentrale im Jahr 2009 dar. Des Weiteren verteilen sich ca. 4.500 Beschwerden und Anfragen auf unterschiedlichste Fallgruppen wie unsachliche Beeinflussung, Behinderung im Wettbewerb, vergleichende Werbung, unlautere Rufausnutzung, Nachahmungstatbestände und kartellrechtliche Fragen. Knapp 3.000 Beschwerden und Anfragen erhielt die Wettbewerbszentrale zu Verstößen gegen Marktverhaltensregelungen in den verschiedenen Branchen. Mit belästigenden Werbemethoden (Werbeanrufe, -faxe, SMS) musste sich die Wettbewerbszentrale in ca. 1.350 Fällen befassen.
In etwa der Hälfte aller Beschwerdefälle musste die Wettbewerbszentrale ein offizielles Abmahnverfahren einleiten. Die überwiegende Zahl der Fälle konnte außergerichtlich und gütlich erledigt werden. Allerdings musste die Wettbewerbszentrale in 2009 insgesamt ca. 750 Gerichtsverfahren führen.
Irreführung mit Güte- und Testsiegeln, Prüfzeichen und anderen Auszeichnungen
Vermehrt hatte die Wettbewerbszentrale Sachverhalte zu unterbinden, in denen die eigenen Produkte durch Gütesiegel, Auszeichnungen und sonstige „Zertifikate“ zu Unrecht und damit in irreführender Weise überhöht werden sollen.
- Einem Dienstleister im Bereich der Hygieneberatung musste gerichtlich die Verleihung eines vollmundigen „Deutsches Hygienezertifikat“ in Rundsiegelform untersagt werden lassen: Das Zertifikat war für die Verbraucher irreführend, da es nicht von einer neutralen, anerkannten Stelle verliehen wurde und die Betriebe, die es gegen Geld erhielten, keine höheren als die gesetzlichen Hygieneanforderungen erfüllen mussten, die ohnehin jeder Wettbewerber einzuhalten hat (das Berufungsverfahren ist beim KG Berlin unter dem Az. 5 U 39/10 anhängig).
- Eine führende deutsche Großbank bewarb ihre Beratung und die von ihr angebotenen Produkte im Bereich der Altersvorsorge im Rahmen eines Fernsehspots mit dem Hinweis „Mit der besten Altersvorsorge Deutschlands“. Durch den Spot entstand der Eindruck, als habe das Institut bei einem Test gewonnen, der alle am Markt tätigen Anbieter, insbesondere die mehr als 500 Banken, aber auch Versicherungen und andere Anbieter von Altersvorsorgemodellen umfasst. Tatsächlich waren aber nur 15 sogenannte Filialbanken getestet worden. Der im Testsiegel des Institutes vorhandene einschränkende Hinweis „Im Vergleich: 15 Filialbanken“ war in dem Fernsehspot ausgeblendet.
- Eine Betriebskrankenkasse hatte sich in der Werbung als „Offizielle Krankenkasse der Deutschen Olympiamannschaft“ bezeichnet. Dies wurde auf Antrag der Wettbewerbszentrale gerichtlich untersagt, da der Eindruck entstehe, alle Mitglieder der deutschen Olympiamannschaft seien bei der beklagten Krankenversicherung versichert, was nicht den Tatsachen entsprach.
- Als irreführend beanstandet hat die Wettbewerbszentrale ferner die Bezeichnung eines Mineralwassers als „Bio-Mineralwasser“ und die Nutzung eines entsprechenden Qualitätssiegels. Weder wies das Mineralwasser andere oder bessere Güteeigenschaften als jedes andere natürliche Mineralwasser auf noch gibt es für – ohnehin natürliche – Mineralwässer spezifische Bio-Kriterien oder gar offizielle und staatlich geschützte Öko-Kennzeichnungen wie bei anderen Lebensmitteln. Genau dies sollte aber in unzulässiger Weise den Verbrauchern suggeriert werden.
- Eine Finanzmanagement AG und ein Versicherungsmakler hatten unter dem Logo des Bundesministeriums für Gesundheit Gewerbebetrieben die Überprüfung der Mitarbeiter im Hinblick auf die Krankenversicherungspflicht angekündigt und gleichzeitig auf „Strafgebühren“ hingewiesen, die bei Nichterfüllung der Versicherungspflicht anfallen würden. Weder bestand allerdings eine irgendwie geartete Zusammenarbeit mit dem Ministerium noch sieht das Versicherungsvertragsgesetz die Zahlung von „Strafgebühren“ vor.
- Auch mit Internet-Gütesiegeln soll das Vertrauen der Verbraucher erreicht werden. Hier gibt es zahlreiche seriöse Siegelvergabestellen, die stichhaltige Prüfungen vornehmen. Teilweise musste aber gegen Online-Anbieter eingeschritten werden, die zwar gegen Geld Siegel erworben hatten, hinter denen aber keinerlei Prüfungen standen, die die Qualität oder die Sicherheit des Online-Einkaufs im Vergleich zu den Wettbewerbern erhöhten.
„Insgesamt stellen wir eine gewisse Inflation von „Gütesiegeln“ und „Auszeichnungen“ als Werbeargument fest, die letztlich die Verbraucherorientierung nicht leichter macht“, erklärte Münker.
Verfahren gegen Zeitungsverlage wegen getarnter Werbung
Der Mediensektor, insbesondere der Anzeigenmarkt ist seit geraumer Zeit geprägt durch einen besonders harten Wettbewerb. In über 100 Verfahren ist die Wettbewerbszentrale gegen getarnte Werbung sowohl in den Printmedien als auch im Internet vorgegangen. „Das für das Verbrauchervertrauen so wichtige Gebot der klaren und eindeutigen Trennung von redaktionellen Inhalten und Werbung wird zunehmend missachtet“, beklagte Münker.
Preisangaben oft zu beanstanden
Der Preis als einer der wichtigsten Wettbewerbsparameter ist gemessen an der Gesamtzahl der Beanstandungen nach wie vor sehr häufig Gegenstand von Irreführungen und Intransparenz. 1.700 Beschwerden und Anfragen wurden hierzu von der Wettbewerbszentrale bearbeitet. Zahlreiche Angebote mit falschen Preisangaben waren ebenso zu beanstanden wie solche, die als besonders günstig deklariert wurden, bei denen allerdings nicht unbeträchtliche Zusatzkosten entweder gar nicht oder nur im Kleingedruckten ausgewiesen wurden.
- Im Mobilfunkbereich konnten mehrere Fälle erfolgreich beigelegt werden, in welchen in der Werbung der Hinweis „keine Anschlussgebühr“ hervorgehoben beworben wurde, obwohl eine solche etwa in Höhe von ca. € 25 berechnet wurde.
- Intransparente Tarifgestaltungen waren ebenfalls zu beanstanden. Beispielsweise fehlten bei Angeboten die deutlichen Hinweise auf Einschränkungen wie die Laufzeit oder die Gültigkeit der Angebote nur für Neukunden.
- Ärgerlich sind Angebote sog. „Flat-Rates“, die den Verbrauchern eine verbrauchsunabhängige und unbegrenzte Nutzung der Telekommunikationsdienstleistungen suggerieren, diese aber in den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Anbieter versteckt und oftmals unverständlich beschränkt werden. Dies ist irreführend, von einer „Flat-Rate“ kann hier keine Rede mehr sein. Entsprechende Klauseln in den AGB wurden von der Wettbewerbszentrale als unzulässig beanstandet.
- Ein Augenoptiker hatte vollmundig für einen „20-%-Rabatt auf alle Gleitsichtbrillen“ geworben, wollte sich hieran gegenüber den Kunden aber nicht festhalten lassen, indem er in einem Sternchenzusatz bestimmte Markenbrillen von diesem Angebot ausnahm.
- Der Preiskampf unter den Generika-Herstellern führte unter anderem dazu, dass die Wettbewerbszentrale mehrmals Aussagen wie „Immer unter den drei Günstigsten“ als unzutreffend und damit irreführend abmahnen musste. Die Werbung richtete sich meist an Ärzte oder Apotheker, die aufgrund der Sorge um ihr Verschreibungsbudget und eventuelle Rückforderungsansprüche seitens der Krankenkassen ein gesteigertes Interesse an (vermeintlich) kostengünstigen Produkten haben, die sie unbedenklich verordnen bzw. abgeben können.
Den vollständige Jahresbericht mit Berichten über Branchen, Einzelfälle und Entwicklungen finden Sie als pdf-Dokument zum Download hier >>.
Wettbewerbszentrale
Die Wettbewerbszentrale ist die größte und einflussreichste Selbstkontrollinstitution für fairen Wettbewerb. Als branchenübergreifende und unabhängige Institution der deutschen Wirtschaft unterstützt sie den Gesetzgeber als neutraler Ratgeber bei der Gestaltung des Rechtsrahmens für den Wettbewerb, bietet umfassende Informationsdienstleistungen rund um das Wettbewerbsrecht, berät ihre Mitglieder in allen rechtlichen Fragen des Wettbewerbs und setzt als Hüter des Wettbewerbs die Spielregeln im Markt – notfalls per Gericht – durch. Getragen wird die gemeinnützige Organisation von mehr als 1.200 Unternehmen und über 600 Kammern und Verbänden der Wirtschaft.
Kontakt:
Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V.
Landgrafenstraße 24 B
61348 München
Tel: 06172-121530
Fax: 06172-84422
E-Mail: mail@wettbewerbszentrale.de
Weitere Informationen
Jahresbericht 2009 >>
Auszug aus der Podiumsdiskussion 2009 >>
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