Die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e. V. beklagt eine massive Zunahme von Beschwerden über Rechtsverstöße im Internet. Im vergangenen Jahr hat die Selbstkontrollorganisation der Wirtschaft 3.247 Fälle aufgegriffen, in denen Handels- und Dienstleistungsangebote im Internet nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprachen. Insgesamt haben die Beschwerden über Internet-Verstöße damit einen Anteil am Gesamtarbeitsaufkommen von mittlerweile 17 % erreicht. „Dieser Trend setzt sich im laufenden Jahr ungebrochen fort“, berichtete Dr. Reiner Münker, geschäftsführendes Präsidiumsmitglied der Wettbewerbszentrale am Rande der diesjährigen Jahrestagung des Verbandes in Nürnberg.
Gerade die ständig wachsende Beliebtheit von Versteigerer-Plattformen wie eBay, auf denen sich jeder Nutzer als Internethändler bzw. –auktionator betätigen kann, habe zu einer drastischen Zunahme der Beschwerden geführt. „Wir haben festgestellt, dass sich viele gewerbliche Anbieter im Internet nicht als solche zu erkennen geben. Sie treten vielmehr als private Anbieter auf“, so Münker. Oftmals haben derartige Anbieter nicht einmal ihren Namen und ihre Anschrift im Internet angegeben. Der Verbraucher steht dann schutzlos da. „Auf diese Weise wird versucht, die gesetzlichen Rechte der Verbraucher zu verkürzen oder ganz zu verschweigen.“ Die konkurrierenden Gewerbetreibenden beobachten dies mit Argusaugen. Tagtägliche Beschwerden von Mitbewerbern sind die Folge.
Münker berichtete über zahlreiche Fälle, in denen zum Teil ganz bewusst die Widerrufs-, Rückgabe- und Gewährleistungsrechte der Verbraucher missachtet werden. So hatte etwa ein Autohaus seine Kunden im Internet beim Abschluss eines Darlehensvertrages ordnungsgemäß auf ihr zweiwöchiges Widerrufsrecht aufmerksam gemacht, jedoch sollten die Kunden für den Fall des Widerrufs 10 % des Autokaufpreises als Schadensersatz an das Autohaus leisten. Das Gesetz gewährt dem Verbraucher aber ein kostenloses Widerrufsrecht.
Insgesamt hat die Wettbewerbszentrale im vergangenen Jahr 18.807 Beschwerdefälle bearbeitet. Der Hauptteil der Beschwerden richtet sich mit einem Anteil von 45 % auf Verstöße gegen die guten Sitten im Wettbewerb (Verstöße im Zusammenhang mit Gewinnspielen, vergleichende Werbung, Heilmittelwerbung, Ordnungsvorschriften, belästigende Werbung, Informationspflichten usw.) Die Beschwerden über unzulässige Rabattaktionen im Einzelhandel sind bereits im Vorfeld der noch für dieses Jahr zu erwartenden gesetzlichen Liberalisierung deutlich um über 40 % auf 4.289 Fälle zurückgegangen. Dagegen sind die Beschwerden über irreführende Werbung um 3 % gestiegen auf insgesamt über 3.000 Einzelfälle. In diesem Bereich waren allein 1.080 Fälle mit irreführenden Preisangaben festzustellen. Der Anteil der Beschwerden über belästigende Werbeformen wie Telefax-, Telefon- und E-Mail-Werbung ist leicht gestiegen auf nunmehr knapp 10% der Gesamtfälle.
Nach wie vor kann der weitaus überwiegende Teil der Wettbewerbsstreitigkeiten außergerichtlich beigelegt werden. Dennoch musste die Wettbewerbszentrale im Jahr 2003 627 Gerichtsverfahren einleiten. „Wir rechnen allerdings für das laufende und das kommende Jahr wieder mit einem Anstieg der Gerichtsverfahren“, sagte Münker. „Durch die in der zweiten Jahreshälfte in Kraft tretende UWG-Reform wird es zu zahlreichen neuen Rechts- und Abgrenzungsfragen kommen, die von den Gerichten geklärt werden müssen. Rechtssicherheit in Bezug auf die neuen Vorschriften wird sich erst nach und nach einstellen.“
Sorge bereiten Münker die vielfachen Regulierungen des Wettbewerbs auf europäischer Ebene. Die Wettbewerbszentrale habe sich stets für eine europäische Harmonisierung des Wettbewerbsrechts ausgesprochen. Dabei müsse Rechtsklarheit und –vereinfachung für die Wirtschaft wie für die Verbraucher vorrangiges Ziel sein. Die EU-Kommission sei derzeit aber auf dem Weg zu einer Vervielfachung der Vorschriften und zu mehr Dirigismus. Insbesondere der Verordnungsvorschlag über gesundheitsbezogene Angaben bei Lebensmitteln erschwere künftig die Werbung für bekannte Lebensmittelmarken. Die Unternehmen müssten künftig für Werbeslogans die behördliche Zulassung in Brüssel beantragen. In einer freien Marktwirtschaft sei so etwas bisher kaum denkbar gewesen.
Auch die geplante Rahmenrichtlinie über unlautere Geschäftspraktiken erreiche nicht das von der Kommission selbst gesteckte Ziel der Harmonisierung und Vereinfachung. Münker kritisierte, dass die Kommission hier allein auf den Verbraucherschutz abstellt, den ebenso wichtigen Schutz der Mitbewerber vor unlauteren Geschäftspraktiken aber unter den Tisch fallen lasse. Künftig müssten die Unternehmen daher ein teilharmonisiertes Verbraucher-UWG beachten sowie ein nicht harmonisiertes UWG für Unternehmer. „Dies trägt wahrlich nicht zur Rechtsvereinfachung im Binnenmarkt bei“, so Münker.
Eine Ausweitung der Bürokratie erwartet Münker auch von dem Vorschlag für eine Verordnung über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz in Europa. Die EU-Kommission fordert von den Mitgliedstaaten die Bestimmung einer nationalen Behörde, die bei Verstößen gegen europäische Verbraucherschutzvorschriften eingreift. Für Staaten wie Deutschland, in denen die Staatsorgane bewusst nicht in den Wettbewerb eingreifen, sondern die Rechtsverfolgung den Unternehmen, ihren Verbänden und den Verbraucherschutzorganisationen übertragen ist, bedeute dies einen zusätzlichen Bürokratieaufbau.
Weitere Informationen erhalten Sie bei:
Herrn Dr. Reiner Münker
E-Mail: muenker @wettbewerbszentrale.de
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Anhang zur Pressemitteilung vom 11. Mai 2004: Beispielsfälle aus der Praxis der Wettbewerbszentrale
Weiterführende Hinweise zu diesem Thema
Vollständiger Rückblick auf die Arbeit der Wettbewerbszentrale im Jahr 2003
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